2018-08-31: Vancouver


Immer wieder wurde mir beim Wandern die Frage gestellt: Was ist das Beste auf dem PCT? Schon nach der High Sierra antwortete ich, dass es die High Sierra waere, allerdings konnte man die High Sierra nur deshalb so stark geniessen, da ich die wasserarmen Erfahrungen zuvor gemacht hatte. Schon kurz bevor ich den PCT beendete und auch danach war meine Antwort: Der Ganze PCT an sich. Es gibt nicht ein ganz besonderes Highlight, sondern der PCT als sein Ganzes stellt das besondere dar. Aber das versteht man nur, wenn man den PCT auch komplett in einer Saison durchwandert.

Wenn ich an den Anfang zurueck denke, dann fuehlt es sich so an als ob ich erst vor ein paar Tagen in Campo losgewandert bin. Zwischendrin wurde mir klar, dass der PCT doch kraeftezehrender ist als erwartet, aber gegen Ende verflog die Zeit dann wie im Flug. Und was ich alles erleben konnte! Leider begegnete ich nicht mehr Baeren. Aber immerhin sah ich Mama Baer und ihr Kind. Ich wuerde gerne wissen wie viele Baeren und Bergloewen mich beobachtet haben.

Den PCT zu wandern war dann doch ganz anders als erwartet und die Natur bot auch mehr als erwartet. Nie haette ich mir traeumen lassen, 8 Tage lang in der High Sierra herumzuwandern und ueber diverse Paesse zu scheppern. Dazu noch viele Schneefelder die teils ueber eine Stunde lang zu queren waren. Nie haette ich gedacht, dass ich stundenlang ueber ein Lavagestein wandern werde. Die ganzen Oasen die auf einmal im Sueden von Kalifornien auftauchten waren wie Magie. Es war alles einfach unbeschreiblich schoen... naja... bis auf die Muecken und den Regen ;-). Die Natur war das abwechslungsreichste was ich bisher auf einer Weitwanderung erleben durfte.

Als ich in Campo startete war mir klar, dass im Durchschnitt nur einer von den 50 startenden ankommen wird. Da vermutlich auch andere von diesem Starttag den PCT zuende gewandert sind (Ren und das Maedel das 40 bis 50 Meilen pro Tag hinlegt), liegt es nahe, dass viele andere von diesem Starttag das Handtuch geschmissen haben. Aber mal im Ernst: Da sind teilweise Leute unterwegs bei denen man einfach nur den Kopf schuetteln kann. Z.B. Hotbag, der erst sehr sehr spaet aufsteht. Oder die eine, die erst gegen Mittag los kommt und dann in die Nacht hineinwandert aber weniger als 15 Meilen schafft. Und dann diese ganzen THC Rauchenden Suechtlinge, wobei es davon doch ein paar geschafft haben. Ein Monat nach dem Start blieben dann die "wahren" PCT Wanderer uebrig. Das interessante ist, dass es nicht darum ging wer am erfahrensten ist sondern einfach nur, wer den Willen dazu hat. Viele schaffen den PCT auch ohne vorherige Wandererfahrung. Gerade zwischendrin kaempften viele (und auch ich war davon nicht ganz unangetastet) damit, dass der PCT noch ueber mehr als 1000 Meilen forderte und diese Vorstellung alleine bedeutete eine grosse Belastung. So manche Wanderer sind dazu zugrunde gegangen indem sie bestimmte Sektionen uebersprungen haben.

Viele Wanderer denken auch, dass man den PCT schafft, indem man alles aus einem bestimmten Guidebook beachtet. Dort steht z.B. beschrieben was fuer eine Ausruestung benoetigt wird. Deshalb sieht mehr als die Haelfte so aus, als ob sie sich bei der Ausruestung abgesprochen haetten :-D. Nur Wenige wanderten mit einer individuellen Ausruestung und einem normalen Rucksack. Insbesondere das Kalorienzaehlen wurde von fast allen Wanderern praktiziert. Die kauften nur Nahrung ein welche sehr viele Kalorien in sich hatte. Ich war wohl gefuehlt der einzige, der nicht auf Kalorien achtete sondern einfach nur darauf, dass ich etwas einigermassen schmackhaftes im Rucksack hatte. Ein paar Tage nach dem PCT bin ich nun in Vancouver und es gaebe die Moeglichkeit zum Fruehstueck Oaker Muesli zu essen. Keine Chance bei mir! Das Zeug kann ich fuer die kommenden Wochen oder vllt. sogar Monate nicht mehr sehen.

Dann gab es ja noch die ganze Trailmagic: Wie unglaublich schoen war es, als ich z.B. die Orangen und auch Wasser fand als ich in den ersten Tagen unterwegs war. Oder die Kuehlbox mit den kuehlen Limonaden als ich am tiefsten Punkt in Suedkalifornien bei brutaler Hitze ankam. Und dann noch die ganzen unzaehligen anderen Male. Trailmagic hatte einfach etwas besonderes an sich, von Fans des PCT, von Wanderern des PCT, von Menschen die einfach toll finden, dass es Wanderer gibt welche versuchen von der Grenze zu Mexiko nach Kanada zu wandern. So etwas sollte es in den Alpen auch mal geben.

Neben der Trailmagic wurde ich auch immer wieder mit der Hilfsbereitschaft von vielen Menschen konfrontiert. Seien es die Trailangels welche z.B. allgemein Hilfe oder auch eine Unterkunft angeboten haben. Oder auch diejenigen welche den Wanderweg pflegten. Nicht zu vergessen Menschen wie z.B. John der unerwartet zum Trailangel wurde als er mir seine Couch anbot als er mich nach Lake Tahoe fuhr. Der PCT waere nur halb so spassig gewesen ohne die ganze Hilfe von den Menschen. Letztendlich war ich auch froh meine Entscheidung nicht per Anhalter zu fahren fallen gelassen zu haben. Damit wurde das Wandern des PCT wirklich zum Kinderspiel.

Wenn ich den PCT mit den Alpen vergleiche, dann ist besonders eine Sache klar: Die USA hat unglaublich grosse Flaechen von unberuehrter Natur, jedenfalls wenn man die Wanderwege davon ausnimmt ;-). Es war fuer mich kaum zu glauben, dass man z.B. in der High Sierra fuer 9 Tage in eine Richtung wandern kann ohne eine Strasse zu kreuzen. In den Alpen waere das nach spaetestens 2 Tagen bereits der Fall. Fuer mich stellt das eines der bedeutendsten Sachen der USA, oder wie ich es immer anderen erklaert habe: In Europa haben wir unser kulturelles Erbe, in der USA sind die Nationalparks das Erbe der Natur. Ich hoffe, dass es dieses Erbe noch sehr lange geben wird.

Ich dachte auch sehr viel ueber die Baeren nach. In Bayern wurde der erste Baer der nach langer Zeit nach Bayern kam sofort getoetet. In der USA wuerde man nicht auf die Idee kommen, die Baeren auszurotten. OK, vllt. wird das irgendwann unbeabsichtigt passieren, aber dafuer wuerde man keine Sicherheitsgruende nennen. In der USA scheint es so zu sein, dass der Mensch im Einklang mit der Natur leben muss, jedenfalls in den Nationalparks! Das erfordert natuerlich ein Umdenken vom "Der Mensch steht ueber der Natur" hin zu "Der Mensch muss mit der Natur leben". Wieder ist das eine gaenzlich andere Denkweise zu der in Deutschland und wohl auch Europa.

Ueber mehr als drei Monate hatte ich nun Zeit um ueber vieles nachzudenken. Da ich die meiste Zeit alleine wanderte, wollte ich auch verhindern etwas verrueckt zu werden. Waehrend anfangs die Musik aus dem Lautsprecher meines Telefons roehrte, so hoerte ich im letzten Monat bevorzugt Podcasts. Wohl auch, da ich vor der Podcast Zeit vieles fuer mich festgestellt habe. Erstens traf ich die richtige Entscheidung meinen Job hinzuschmeissen. Zweitens sollte ich mehr mit meiner Familie verbringen, und natuerlich mit meiner groesser und groesser werdenden Nichte :-). Drittens sollte ich verstaerkt meine Vorstellungen im Beruf verwirklichen, da alles andere ala einem Standardjob furchtbar waere.

Noch Tage spaeter als ich nun das Nachwort schreibe schmerzen meine Fuesse noch. Teile der Fuesse fuehlten sich noch an wie wenn sie etwas eingeschlafen waeren. Die Muskulatur meiner Finger fuehlt sich auch noch seltsam an, da diese sich wohl seit ueber drei Monaten an einen Stockeinsatz gewoehnt haben, allerdings gab es das jetzt nicht mehr. Es wird noch Wochen brauchen bis sich mein Koerper von dieser Wanderung erholt hat, aber jeder Schmerz den ich jetzt noch verspuere ist ein angenehmer: Er erinnert mich an das Abenteuer PCT.

Waehrend den zwei Wochen Vorbereitung und den ersten paar Wochen meinte ich auch, dass es verrueckt sei den PCT zu wandern. Verrueckt vllt. ja, aber nach der Haelfte kam es mir nicht mehr so vor. Nach der Haelfte wich dieser Gedanke den Impressionen die ich bekam. Es ist vielmehr verrueckt was die Natur alles zu bieten hatte. So viel Abwechslung, so viel Abenteuer. Als ich mich dann und wann zurueck erinnerte, schien es so als ob z.B. die High Sierra Monatelang zurueck lag, allerdings stellte es sich beim genauen nachrechnen heraus, dass dies nur einen Monat zurueck lag. Anfangs erschien es verrueckt jeden Tag ueber einen Marathon am Tag zu wandern, bis es zum normalen Zustand wurde. Damit bewaeltigte ich auch jeden Tag unglaubliche Strecken. Mit einem Blick in die Zukunft haette ich mich selbst als verrueckt bezeichnet, diese Strecke jeden Tag zu meistern, aber aus verrueckt wurde Alltag.

Bei allen vorherigen Weitwanderungen hatte ich danach das Gefuehl, dass ich diese Weitwanderung nicht noch einmal wandern werde. Beim PCT hatte ich anfangs das Gefuehl, dass dies genauso sein wird. Nach der erfolgreichen Durchwanderung hat sich diese Einstellung nun geaendert. Den PCT ein zweites mal zu wandern ist durchaus wieder denkbar. Dies war wohl bisher mein groesstes Abenteuer meines Lebens und vllt. wird es das auch nochmal ein zweites mal. Fuer's Naechste mal ist aber etwas anderes geplant: Der Continental Divide Trail!

Ein seltsames Gefuehl umgibt mich aber nach der Beendigung des PCT: Ich habe den Eindruck dass ich zwischendrin aufgehoert habe. Es kommt mir so vor, dass ich nur einen Zero nehme. Der PCT wird mich noch fuer laengere Zeit begleiten.

Berg heil,

Martin