Tag 103: Ende der PCT Alternative

2018-08-29: CS Ruby Pasture → CS Hozomeen


Jetzt sitze ich in einem Bus nach Vancouver und kann es noch nicht wirklich begreifen, dass der PCT zuende ist. Irgendetwas fehlt, alles fuehlt sich unrealistisch an, meine Fuesse sind still.

Ich schlief sofort ein. Nach dem ueblichen Morgen Prozedere ging's dann um 7:20 Uhr gleich los. Gleich zu Anfang erwartete mich ein gemuetlicher 100 HM Aufstieg. Nichts beeindruckendes mehr. Danach verlief der Weg den "Lake Ross" entlang, allerdings zuerst einmal in gewisser Distanz. Lediglich von der Wanderkarte her wusste ich, dass sich links von mir ein See befindet.

Dann endlich verlief der Wanderweg in der Naehe des Randes vom See. Endlich konnte ich ueber den See hinweg blicken, aber viel bedeutete mir das heute nicht mehr. Ich freute mich einfach darauf, wobei ich mir nicht sicher bin, ob das wirkliche Freude war, das Ende des PCT zu erreichen. An einer Stelle gab es auch ein Warnzeichen, dass der Weg zusammengebrochen ist. Hier hantierten auch schon zwei Bauarbeiter herum um diesen Weg wieder zu fixen. Meinen Delorme GPS Notfallsignalgeber konnte ich heute auch vergessen. Der hat immer mal wieder stundenlang nicht funktioniert. Das Drecksteil kann man wirklich in die Tonne treten und den Service darum herum genauso.

Fuer den letzten Wandertag haette ich mir eigentlich Sonnenschein gewuenscht, aber die Sonne verbarg sich hinter einer dichten Wolkendecke. Als ob das noch nicht ausreicht, fing es jetzt auch noch das Regnen an. Was fuer ein Mist. Muss das jetzt wirklich sein? Das anfaengliche nieseln ging in einen wirklichen Regen ueber, gerade genug um meinen Rucksack und die Sachen darin zu durchnaessen, weshalb ich dazu gezwungen war mal wieder meinen Regenschutz darueber zu ziehen. Habe ich das alles nach den ganzen Strapazen verdient? Wenn ich das so schreibe finde ich es aber auch lustig, dass ich den PCT in der bruetenden Hitze und fast komplett ohne Wasser von Sued Kalifornien aus angefangen habe und jetzt durch dickes Gruen, neben einem See im Regen vor mir her spaziere :-D.

Zwei grosse Bruecken galt es zu ueberqueren und vor der zweiten sah ich einen gemuetlichen Campingplatz direkt am See und dort machte ich Pause. Als ob dieser Umweg vom PCT noch nicht genug war, jetzt gab es auch noch eine Mueckenplage. Aber ich hatte gluecklicherweise noch das Mueckenspray mit mir was zumindest ein bisschen Abhilfe schaffte.

Irgendwie schien heute auch nicht mein Tag zu sein. Meinen Gravitationswasserfilter fuellte ich mit Wasser und liess diesen von einem meinen Wanderstoecke haengen. Ein duenner Strahl fuellte darunter meine Wasserflasche. Damit umgehe ich einen hohen Kraftaufwand um durch den fast komplett dichten Filter Wasser zu pressen. Leider loeste sich der Stecken, der Filter fiel zu Boden und auch die Wasserflaschetag fiel um. Heute ist einfach nicht mein Tag.

OK. Weiter! Nach der Bruecke stand mir nun ein kleiner Aufstieg bevor. Wieder mal stellte sich der Wanderweg in der Karte als unbrauchbar dar. Zumindest zeigte er korrekt an, dass es vom See weg und hinter dem Berg wieder zum See zurueck ging. Beim Aufstieg atmete ich dann auch noch eine Fliege ein. Was zum Teufel ist heute denn nur los? Nach ein paar Hustern und etwas Wuergen hatte ich aber dann das Gefuehl dass ich die Fliege herausbekommen hatte. Spielt jetzt auch keine Rolle mehr.

Ich begegnete einer Wanderin die mich dann auch noch nachdruecklich vor den Mosquitos bei der Grenze warnte. Was? Noch mehr? Also: Regen, Muecken, Fliegen verschlucken, Naesse, Alles geht schief, etc. Bin ich jetzt verflucht? Aber egal, ich bin gleich da, dachte ich mir. Nach dem Aufstieg ging's dann wieder unerwartet bergab und die Mueckenplage nahm zu. Nach all dem was ich bisher mit erlebt hatte, haette ich jetzt wirlich nicht so eine Mueckenplage erwartet. Das Mueckenspray half etwas ab, aber die Muecken versuchten es dann eben im Gesicht und insbesondere an den Schlaefen und der Stirn. Mein Mueckennetz holte ich jetzt aber auch nicht mehr heraus.

Zu all diesen Plagen kam dann auch noch die schmerzende Sehne am Schienbein die ich schon seit Tagen ignorierte. Gestern legte ich ein kleines bisschen Voltarol am Nachmittag auf, aber ich wollte das wg. den Baeren vermeiden. Darin sind sehr geruchsintensive Stoffe vorhanden welche womoeglich die Baeren anlocken koennten. Die Schmerzen an der Sehne nahmen einfach nur noch zu. Bergauf zu laufen war kein Problem, aber bergab war mein Schienbein einfach nur in Schmerzen gehuellt.

Nach dem ersten Aufstieg und einem Abstieg in Richtung Osten bog der Wanderweg nun wieder nach Norden ab. Alles dauerte deutlich laenger als erwartet. Die angegebenen Meilen waren wohl nicht ganz so richtig, aber so ist das halt. Wenn ich mir einer Sache sicher war, dann dass ich heute an der Grenze ankommen werde. Eine weitere Bruecke galt es zu ueberqueren und ich passierte den "Nightmare" Campingplatz. Wer bitte will denn hier uebernacht bleiben? :-).

Nun standen mir die wirklich letzten ueber 300 HM Aufstieg bevor. Zuerst sehr steil in vielen Serpentinen, dann gemuetlich und einen Fluss entlang verlief dieser Aufstieg. Die beiden auf der Karte eingezeichneten Seen waren eher enttaeuschend. Der erste war ein grosser Sumpf und den zweiten bekam ich erst gar nicht zu Gesicht. Alles spielte fuer mich aber keine Rolle mehr. Ich komme gleich an.

Nun folgte der finale Abstieg... der wirklich der Letzte. Der dichte Wald wich auf einmal einem sehr lichtem und dann kam ich unten auf der Strasse heraus. Ab sofort gibt es wohl auch keinen Wanderweg mehr. Der letzte Wanderweg fuer das Ende... Alles ist bald zu Ende. Nur die Schmerzen in meinem Schienbein nahmen mehr und mehr zu. Gerade dieser ebene Weg war eine wahre Qual fuer meine Sehne, aber auch das spielte keine Rolle mehr.

Es wehte eine leichte Briese, weshalb es hier wohl wenig Muecken gab. Nach ein paar Minuten passierte ich auch den Campingplatz, meinem Uebernachtungsziel fuer heute der einen schoenen Ausblick auf den See bot. Ich folgte aber mit vollem Gepaeck der Strasse und dann war auch schon eine Schranke vor mir. War das schon die Grenze? Noe, also lief ich um die Schranke herum. Dann sah ich die Schneise im Wald die der Grenze entlang hineingeschlagen wurde. Das ist ein ca. 15 Meter langer Streifen der wie eine Narbe aussah, aber mir ganz klar die Grenze anzeigte. Das war's, ich habe es geschafft. Von der Grenze zu Mexiko zur kanadischen. Was ich anfangs fuer verrueckt hielt entpuppte sich zu einem der beeindruckendsten, da abwechslungsreichsten Wanderwege den ich bisher gewandert bin. Aber dazu vermutlich mehr im Nachwort. Weiter oben in der Schneise waren auch andere PCT Wanderer die sich um einen metallenen Monolith tummelten und zu mir herunterriefen, dass ich hochkommen sollte. Ein kleiner Wanderweg fuehrte dort hoch und auf dem Monolith klebte auch ein PCT Sticker. Das war jetzt wohl wirklich das tatsaechliche alternative Ziel und bot auch eine bessere Kulisse fuer Fotos. Jeder hier war einfach froh, dass man es soweit geschafft hat. Die Dose Bier in meinem Rucksack hebte ich mir aber fuer's Abendessen auf. Ein Logbuch gab's hier auch und ich trug mich mit meinem Trailnamen "Panther" ein. Ein Name, der mir fuer den Rest meines Lebens in Erinnerung bleiben wird.

Nun ging's weiter zum Campingplatz. In aller Ruhe und mit leichter Brise baute ich gemuetlich meine Unterkunft auf, kochte Wasser fuer ein Reisgericht und genoss dann den Abend. Leider blieb ich hier der einzige PCT Wanderer. Nur zu gerne waere ich heute mit anderen Wanderern zusammen gesessen. Gerne haette ich die Muecken geteilt welche mich sofort attackierten als der Wind aufhoerte. Ich ueberlegte mir auch wie ich zurueck zum Trailhead kommen werde. Der Weg nach Kanada war auch wegen einem Feuer gesperrt, weshalb sogar eine illegale Grenzueberquerung nicht moeglich gewesen waere. Ich beschloss einfach Dr. Hund ueber mein GPS Geraet Nachrichten zu schicken mit der Bitte ein Taxiboot zu bestellen. Ohne Rueckantwort ging ich zu Bett. Mein Schienbein war geschwollen und das Einschlafen war eher schlecht als recht.

Am naechsten Tag gab's noch ein bisschen Aufregung, da Dr. Hund das Boottaxi zuerst nicht erreichen konnte, dann aber doch positive Rueckmeldung gab. Ein andere PCT Wanderer schloss sich mir bei der Bootsfahrt mit an. In rasantem Tempo ging's zum Lake Ross Dam. Auf dem Weg dorthin hatte ich einen wunderschoenen Ausblick auf die umgebenden Gipfel mit vielen Gletschern. Viele davon haette ich auf dem Wanderweg gar nicht sehen koennen. Das ist wohl ein kroenendes, wenn auch sau teures Ende, aber das spielte jetzt keine Rolle mehr. Das Abenteuer ist zuende und bei der Fahrt mit dem Boot wurde mir wieder ein weiteres mal vor Augen gefuehrt wie weit ich es innerhalb von einem Tag schaffen kann und wozu der menschliche Koerper im Stande ist.

Ein Ziel gibt es jetzt noch: Meine urspruengliche Planung war von Manning Park, dem eigentlichen Ende des PCT, nach Vancouver zu fahren. Genau das werde ich jetzt noch tun. Aber das ist eine andere Geschichte...

Das Tagebuch ist noch nicht zu Ende, ich arbeite noch an einem Nachwort!