Nachspiel nach dem PCT: Die letzten 20 Meilen

2018-09-09: Hiker Heaven → Casa de Luna


Den PCT habe ich schon vor zwei fast Wochen beendet. Fast? Ja, nur fast, da ich vor langer Zeit 20 Meilen ueberspringen musste. Allerdings hatte ich schon seit laengerer Zeit geplant, diese Meilen nachzuholen. Da ist es ganz praktisch, dass ich Dr. Hund in Santa Clara besuche und Hikers Heaven nur 5 Stunden Autofahrt entfernt ist.

Dort angekommen stand ich vor dem Eingangstor und hoerte schon die Hunde. In gutem Wissen darueber, dass die Hunde ganz lieb sind, oeffnete ich die Eingangstuere zu dem Hof und dachte darueber nach, wie dumm das in der USA waere, wenn das kein Grundstueck waere welches ich kennen wuerde. Dann lernte ich endlich Donna kennen. Sie ist diejenige, welche Hikers heaven organisiert und fuer so viele PCT Hiker diesen Wandererhimmel anbietet. Als ich das letzte mal hier war, gab es leider keine Moeglichkeit ihr persoenlich zu danken. Ihr Grundstueck ist auch kaum wieder zu erkennen. Letztes mal war hier alles mit Zelten, improvisierten Duschen und vielen Wanderern ueberfuellt. Dieses mal war einfach alles still, ruhig, einfach zum relaxen. Ich war der einzige hier. Selbst die Southbounders (also diejenigen welche von Kanada in Richtung Mexiko wandern) kommen erst in ein paar Wochen hier vorbei. Neben ein bisschen Geschichten austauschen stellte Donna auch ihre Naehmaschine wieder bereit. Damit war ich auch im Stande das letzte mal meine Wanderhose ordentlich zu naehen.

Es war hier einfach nur brutal heiss, selbst im Schatten. Ich war froh das hier nochmal mit zu erleben, da ich diese Hitze schon total vergessen hatte. Donna warnte mich auch vor der momentan existieren Hitzewelle und schlug vor, dass ich ja vllt. zwei Tage hier warten koennte :-). Ich meinte nur, dass ich nach all den PCT Strapazen wohl kein Problem mehr damit haben werde, bei dieser Hitze fuer nur 20 Meilen zu wandern. Davor habe ich nun wirklich keine Angst mehr.

Abends fuhr ich zur lokalen Pizzeria welche exzellente Pizzas machte. Das ist genau das, was ich mir erhofft habe: Noch einen wunderschoenen Abschluss des PCT im Rahmen eines Nachtrags. Im laufe des Abends (und auch schon die Tage zuvor) machte ich mir viele Gedanken ueber den PCT und was ich erlebt habe. Viel Traurigkeit umgab mich, da ich den PCT jetzt schon vermisse, aber das ist bei Weitwanderungen immer der Fall. Eine richtige PCT-Post-Depression wie es viele bekommen, habe ich aber nicht. Dafuer habe ich schon mit viel Abwechslung gesorgt. Erfreulicherweise meldeten sich auch Grizz und Onedel per Email zurueck. Diese sind immer noch auf dem PCT, zusammen mit Roadrunner. Sie kommen auch in zwei bis drei Wochen an. Das ist einfach toll, wenn man erfaehrt, dass diejenigen die man ein kleines bisschen besser kennengelernt hat auch den PCT zuende bringen. Ich haette erwartet, dass es weitaus mehr Abbrecherquoten gibt. Abends musste ich gluecklicherweise auch kein Zelt aufbauen sondern konnte in dem klimatisiertem Nebengebaeude uebernachten.

Relativ spaet, naemlich um 7:35 Uhr stand ich erst auf. Ich hatte es heute nicht eilig, da es lediglich 20 Meilen zu wandern gab. Zum Fruehstueck gab es etwas besonderes: Ich kochte am Herd Wasser um mir dieses mal heisse Haferflocken sowie eine heisse Schokolade zu machen. Was fuer viele so selbstverstaendlich ist, wurde von mir in einer bewusst schaetzenden Art verspeist wie man es nur nach einem Erlebnis wie dem PCT machen kann. Die Haferflocken sowie die Schokolade entfalteten mit dem heissen Wasser auf einmal ein herrliches Aroma. Heute nahm ich 5 Liter Wasser welches ich ueber Nacht auch im Kuehlschrank weiter abkuehlen liess. Ich nutzte jedes Mittel, um die heutige Wanderung in der Hitzewelle so angenehm wie moeglich zu machen.

Dann startete ich in den Wandertag und setzte eine ganz besondere Kopfbedeckung auf: Meinen alten Wanderhut den ich von Dr. Hund mitgenommen habe. Dieser ist zwar schon fast zerfallen, aber fuer den heutigen Tag moechte ich einfach noch einmal mit meinem alten Wanderhut wandern. Erst mal lief ich 30 Minuten lang wieder die Strasse nach Aqua Dulce herunter und dann entgegen der PCT Richtung erst mal zum Supermarkt. Das war wichtig, da ich die ganze Strecke von Mexiko nach Kanada ueber's Zu-Fuss-Laufen verbinden wollte und ich damals vom Supermarkt per Truck zu Hikers heaven gekarrt wurde. Von dort aus folgte ich der Strasse in Richtung Norden, folgte bald einer Nebenstrasse und schon zweigte ein Wanderweg ab. Zuerst standen 600 HM Aufstieg bevor und es war schon relativ warm, aber nicht wirklich so heiss, dass ich mich unglaublich quaelen musste. Der Weg verlief gemuetlich etwas weiter hoch und querte dann einen kleinen Talbereich. Genau hier sah ich auch einen abgebrannten Grasbereich. Sehr klein, nicht wirklich nennenswert. War das etwa das Feuer wegen dem ich diese Strecke nicht laufen durfte?!? Das waere ja wirklich laecherlich. Jetzt war's mir aber auch egal. Weiter ging's ueber eine Schotterstrasse und dann ging's schon etwas steiler aufsteigend hoch. Hier war wieder alles extrem trocken. Gefuehlt wuerde ein Funken ausreichen um hier alles in Flammen zu setzen. Es gab hier auch wieder mal keine Baeume welche Schatten spendeten. Ich erwartete, dass so der ganze heutige Wandertag aussehen wird. Als ich in etwa die 600 HM geschafft habe, stand ich dann auf einer Schotterstrasse bei der der PCT stark abknickte und der Strasse etwas folgte. Dort standen dann auch ein paar Baeume. Ich stellte mir vor, wie hier sehr viele PCT Wanderer vor zwei bis vier Monaten pausierten oder ihr Zeltlager aufschlugen. Jetzt aber war ich hier ganz alleine. Ich hatte den ganzen PCT fuer mich ;-).

Dann schliesslich bog der PCT wieder von der Strasse ab und ich sah vor mir einen Berglaeufer der sich gerade an einem Wassercache bediente. Hier sah ich auch in der Ferne Rauch hinter dem Berg der in etwa in meiner Richtung lag. Wenn es heute wirklich der Fall sein sollte, dass ich diese letzten 20 Meilen wg. einem weiteren Feuer nicht wandern kann, dann verfluche ich alles und jeden. Der Berglaeufer meinte dann aber, dass der PCT weiter im Westen verlaeuft und das kein Problem sein sollte. Einen anderen Anblick hatte ich auch: Die Mojave Wueste. Ach du liebes Ding, habe ich dich vermisst! Nun stand ein kleiner Abstieg bevor und ich war nicht schlecht beeindruckt, dass dieser die ersten paar Minuten im Schatten erfolgte. Hier gab es auf einmal wieder Baeume! Allerdings war die einzige Quelle auf diesen 20 Meilen, die Baer spring, trocken. Damit habe ich aber schon gerechnet. Der Abstieg zog sich etwas laenger hin. Nicht wegen der Strecke sondern wegen den unglaublichen Schmerzen welche ich in meinen Fuessen spuehrte. Ich hatte noch nicht einmal die Haelfte geschafft, aber die stechenden Schmerzen in den Fuessen waren staerker als all das, was ich vorher auf dem PCT nach weniger als 8 Meilen gespuert hatte. Das sind alles die Nachfolgen von dem PCT. Den leichten Schmerz bei den kurzen Gehstrecken in den Tagen nach dem PCT wusste ich zu geniessen da es ich noch relativ angenehm an den PCT erinnerte, aber diese Schmerzen waren jetzt doch etwas heftiger. Aber was soll's, es hilft ja nix, weiter geht's!

In der Ferne konnte ich dann schon bald den See sehen an dem ich in hohem Tempo bei der Umfahrung dieser Strecke vorbei gefahren bin. Der See an sich waere schon schoen gewesen, aber jetzt gesellten sich auch noch Feuerwehrflugzeuge hinzu. Diese tauchten auf einmal hinter dem Bergruecken auf von dem auch der Rauch aufstieg und flogen in sehr sehr langsamer Geschwindigkeit zu dem See herunter. Vermutlich um Wasser nachzutanken. Dass ich so etwas noch sehen darf war auch einfach beeindruckend. Ach, ich war einfach gluecklich :-).

Nach dem Abstieg ueber einen Bergruecken und etwas weiter kreuzte ich dann die einzige Strasse die es heute zu kreuzen gab. Ein paar Schritte danach sah ich dann ein Schild "Water" und ein paar Meter nebenan gab es einen Wassercache sowie einen Campingstuhl, alles wunderschoen unter einem schattenspendenden Baum. Perfekt! Genau das, was ich jetzt brauche. Beim abnehmen von dem Rucksack schmerzte mein Ruecken einfach nur noch. Ich fuehlte mich wie ein verkrueppelter alter zerbrechlicher Sack, aber trotzdem gluecklich hier einen Schatten und einen Campingstuhl gefunden zu haben! Nun war es Zeit fuer die Mittagspause. Ich holte meine Tortilla Wraps heraus, den guten Kaese und die Salami welche ich gestern in dem Supermarkt eingekauft hatte. Das wurde wieder mal ein Festmahl, allerdings hatte ich keinen wirklichen Hunger was mich nun wirklich ueberraschte. Es war naemlich bereits um etwa 12 Uhr. Naja, egal. Hier pausierte ich auch ueber eine halbe Stunde und gruebelte ueber die Schmerzen in meinen Fuessen nach. Woher kommen diese auf einmal? Evtl. lag es an der hohen Hitze welcher die Fuesse nun wieder ausgesetzt waren. Oder der Koerper hat ueber die letzten Monate als Schutz in meinen Fuessen etwas Taubheitsgefuehl eingefuehrt welches nun ueber eine Woche danach etwas verschwunden ist und damit die Fuesse wieder etwas sensibler sind. Fragen ueber Fragen und ich werde die Antwort wohl nie herausfinden!

Dann war es an der Zeit wieder weiter zu laufen. Es war extrem windig und ich hatte auch leichte Kopfschmerzen. Da es nun um Mittag herum war, entfaltete die Hitze ihre ganze Kraft. Vom angenehmen Wandern kann nun wirklich nicht mehr die Rede sein. Ich troepfelte wieder kostbares Wasser auf meinen Hut um meinen Kopfkuehlschrank zu aktivieren und so der Hitzewelle entgegenzuwirken. Der Wanderweg zog sich in sehr sehr vielen Kehren der Bergseite weiter hoch. Hier stellte ich auch fest, dass es nicht 20 Meilen, sondern 22 fuer heute sein werden. Das war mir aber nun auch egal. Die erste Pause hatte ich nach etwa 1/3 der Strecke und nach etwa 2/3 kreuzte der PCT noch einen Feldweg. Ich plante, auch hier bald wieder Pause zu machen und dann auf einmal, ganz unverhofft, stand da eine huebsche Bank mit der Aufschrift "Remembering Bob Kimmerly" unter einem schattenspendenden Baeumchen vor mir. Wunderbar! Da mache ich doch gleich wieder Pause. Ich streckte mich auf dieser Bank aus und blieb auch hier fuer ueber eine halbe Stunde. Eilig hatte ich es heute ganz sicher nicht. Ich plante mit meiner Ankunft um etwa 18 Uhr.

Aber der Wanderweg laeuft sich nicht von alleine und so machte ich mich bald wieder daran auch noch die letzten Meilen zu wandern. Der Weg verlief wieder entlang des Berghanges. Viel Abwechslung gab es heute nicht: Es gab viel Gebuesch und Gestruepp. Gestern dachte ich auch schon darueber nach wie lustig es waere, wenn ich heute von einer Klapperschlange gebissen werden wuerde! Ich bekam aber keine Klapperschlange zu Gesicht, sondern nur eine andere ganz kleine Schlange die gleich in's Gebuesch verschwand. Noch ein Wegweiser welcher nicht den PCT anzeigte sondern irgendeinen Gipfel und dann war ich nach einem kurzen Abstieg kurz vor der Strasse. Hier gab es wieder viel schattenspendende Baeume und Gebuesch bei dem ich mir einmal mehr vorstellte, wie hier PCT Hiker Schutz vor der Sonne suchten und ihre Zelte aufschlugen. Dann erreichte ich endgueltig die Strasse und ueberquerte diese.

Das war's dann wirklich. Der PCT war nun endgueltig fuer ich vorbei. Ich habe alles in einer Saison zu Fuss verbunden, so wie ich es geplant hatte.

Nun lief ich die Strasse in Richtung "Green Valley" herunter, da es dort noch das finale Highlight geben sollte: Casa de Luna. So hiess das Haus der Trail Angels von denen sehr viel auf dem PCT gesprochen wurde, welche ich allerdings uebersprungen habe. Das war wohl einer der weiteren Gruende warum ich noch unbedingt diese letzten 20 Meilen (also 22 Meilen) wandern wollte. Gluecklicherweise wurde ich nach nur ein paar Minuten von zwei jungen Burschen per Anhalter in ihrem Truck mitgenommen. Die waren auch ganz ueberrascht, dass sie ploetzlich einen PCT thru-Hiker in ihrem Truck hatten der den PCT hier damit als Ganzes komplett erfolgreich geschafft hat. So musste ich die 2 Meilen nicht mehr auf der Strasse laufen und gelangte direkt zur Tankstelle. Dort angekommen hatten diese schon die Telefonnummer von Casa de Luna wo ich anrief. Am Telefon wurde mir dann eine Wegbeschreibung (links, dann rechts, dann einfach weiterlaufen) gegeben und zum Glueck fragte ich auch nach einer Hausnummer. Mit einem Sixpack in der Hand folgte ich dieser Wegbeschreibung und war bald komplett verloren. Die Hausnummer konnte ich aber in Google Maps eingeben und schwupps, war ich schon dort.

Joe, der Hausherr, hat mich gleich herzlich begruesst und ich verbrachte eine gute Stunde mit ihm um ueber den PCT zu reden. Er war auch extrem gluecklich als er erfuhr, dass ich bei ihm damit meinen PCT vervollstaendigt habe. Wieder mal wurde mir die Frage gestellt was denn das Beste am PCT waere. Wieder mal gab ich als Antwort, dass der PCT als Ganzes das Beste ist und man den PCT als ganzes wandern muss. Das besondere an Casa de Luna war, dass sie normalerweise jeden PCT Hiker dazu auffordern einen Stein zu bemalen und diesen in ihren Garten zu legen. Allerdings war Joe's Frau gerade nicht zu hause und ich kam darum wohl herum. Dieser Garten war eine wahre Kunstausstellung. Ueberall gab es diese bunt bemalten Steine. Teils im Kinderstil bemalt, teils extrem kunstvoll lagen diese auf dem Boden, standen herum oder wurden sogar in die Baeume geklemmt. So konnte man in deren Garten zwischen den Baeumen spazieren gehen um diese Steine zu bewundern.

Zum Essen plante ich urspruenglich beim lokalen Cafe etwas zu kaufen, allerdings hatte das geschlossen. Nun kam meine Notfallpackung "Chilli Mac and Beef" zum Einsatz. Das letzte Essen auf dem PCT! Joe war so freundlich und hat mir kochendes Wasser bereit gestellt. So verputzte ich dieses letzte Festmahl. Spaeter gesellte sich auch noch "Basil" beim Biertrinken dazu, ein thru-Hiker von ein paar Jahren zuvor mit dem ich auch noch den Rest des Abends verbrachte. Joe bot mir auch an statt ein Zelt im Garten aufzuschlagen einfach im Bett zu uebernachten was ich gerne annahm.

Ich bereue es absolut nicht, dass ich diese 20 Meilen nachhole. Wenn man nur diese 20 Meilen fuer sich selbst wandern wuerde, waere es ein Albtraum. Mit dem ganzen PCT im Kopf war es aber ein Abschluss der fuer mich viel bedeutete.

Beim Blick in den Spiegel sah ich auch, dass mein gruenes T-Shirt mit kristallisiertem Schweiss uebersaet war. Das war deutlich mehr als auf den vorherigen PCT Strecken und lag wohl daran, dass ich etwas mehr Salz als sonst zu mir genommen hatte. Egal, ich sah einfach nur abgefuckt aus, so wie Hiker trash aussehen sollte. Das ganze war kombiniert mit meinem 3 Monatsbart und einem wildem Haar. Perfekt! So soll es auch aussehen. Ich war wieder mal einfach nur gluecklich. Ich war nun ein wirklicher PCT thru-Hiker. Dann tschuess PCT, bis zum Naechsten mal.