Tag 91: Ein wunderschoener Abend

2018-08-17: White Pass → CS Sheep Lake


Heute wird mir einmal mehr bewusst was Familie bedeutet. Ich zelte hier inmitten einer Familie mit 3 Maennern die ihre je drei Kinder mit zu einem mehrtaegigem Wanderausflug mitgenommen haben.

Eine Sache von gestern (eigentlich viele Sachen) habe ich gar nicht beschrieben: In der Dusche hatte ich keine Seife und musste mich der Seifenreste bedienen. Die einzige Seife war eine mit einigen Haaren darauf. Tja, absolut ekelhaft, aber das Zeitlimit von 5 Minuten half dabei sehr schnell die Entscheidung zu treffen die behaarte Seife zu verwenden.

Schon in der Nacht wachte ich auf und musste etwas Bier loswerden. Da gestern niemand ein geschenktes IPA annehmen wollte, musste ich den ganzen Sixpack selbst killen. Irgendwann vor 7 Uhr machte ich mich dann daran mein Zeug zusammen zu packeln und alles neben den Tisch bei der Tankstelle mit Supermarkt zu schaffen. Viel hatte ich heute nicht vor, lediglich 30 Meilen und nach dem Hatsch von gestern hatten meine Fuesse auch etwas Erholung verdient. "Dank" dem Feuer war der Einkaufsladen auch schon um 7 Uhr offen und ich konnte erst mal meine Waesche die ich gestern noch in die Waschmaschine schmiss in den Trockner geben. Dann gab's Kaffee und einen Burrito aus dem Kuehlschrank. Halt einfach ein gutes US Fruehstueck :-). Ich machte mich dann daran mein Paket zu oeffnen und das Essen in die Beutel in meinen Rucksack umzufuellen. Als die Hauptladung von meiner Waesche getrocknet war packte ich auch die nassen Socken von gestern rein. Ja, das ist echt fies. Diese wurden gestern nur duerftig gewaschen aber wenn ich diese jetzt trockne, dann kann ich diese gleich wieder anziehen und habe ein frischen Paar uebrig. Es stellte sich aber heraus, dass diese nicht mal mehr sehr stark riechen. Ein paar Emails wurden auch noch bearbeitet und dann war's schon an der Zeit loszulaufen.

Kurzum: Strasse, Abzweigung zum PCT, Waldhatsch mit erst etwas Aufstieg, dann Abstieg. Bei einem Fluss war es dann 12:30 Uhr und ich machte eine Pause um ein paar Wraps zu verputzen. Ich war erfreut, dass ich zumindest bei der Wurst und dem Kaese etwas Abwechslung in meinen Resupply brachte.

Ein anderes Problem bahnte sich an: Ich hatte gestern ignoriert, dass mein Ruecken an einer Stelle mehr und mehr aufgerieben war. Das spuehrte ich heute sehr deutlich und das tragen von meinem Rucksack verursachte deutliche Reibstellen an meinem Ruecken.

Nach dieser kleinen Pause ging's weiter bergab. Auf einmal platzte etwas vor meiner Brust. Erschrocken stellte ich fest, dass die Plastikverbindung zu meinem Brustriemen gerissen war. Fuck! Das hatte ich schon von Anfang an befuerchtet. Ab sofort habe ich also keinen Brustriemen mehr und das Gewicht zieht nun an meinen Schultern.

Am tiefsten Punkt angekommen galt es auch einen Fluss zu ueberqueren. Ein Stamm ermoeglichte es, die ca. 10 Meter Fluss ohne nassen Fuss zu ueberqueren. Was anfangs noch aufregend war, ist mittlerweile Standard.

Nun stand ein laengerer Aufstieg im Wald bevor. Nach einiger Zeit traten dann wieder Brustschmerzen auf. Das konnte nur von dem fehlenden Brustgurt kommen. Als Loesung verwendete ich den Metall Karabiner mit dem mein Kompass an meinem Rucksack befestigt war um den Brustgurt wieder seiner urspruenglichen Funktion zuzufuehren. Der Aufstieg war relativ angenehm und ermoeglichte mir hier und da einen schoenen Ausblick auf Seen.

Als der Aufstieg dann beendet war hatte ich dann auf einmal eine Aussicht auf einen Berg: Mt. Rainier. Den Burschen kannte ich schon von vor ein paar Jahren als ich darauf etwas wandern war. Jetzt aber sah ich ihn von der Ferne in seinem ganzen Ausmass und das Mitte August, also in der Hochsommerzeit was das Ganze noch ueberraschender machte: Dieser Berg war ueber und ueber mit Schnee ueberzogen. Was fuer ein gewaltiger Anblick!!

Der weitere Weg verlief weiter im Wald an Seen vorbei, bisschen auf und ab ("auf und ab" sollte ich im Anschluss in diesem Tagebuch zaehlen), und nach langer Zeit und einer Wasserversorgungsstelle war ich dann beim Abstieg zum Chinook Pass. Dort dachte ich mal wieder ueber meine Familie nach wie ich es so oft auf dem PCT mache und insbesondere an meine kleine Nichte. Es ist fuer mich ueberraschend wie sehr ich die kleine Maus vermisse. Mir ist auf dem PCT klar geworden, dass ich durch meinen Englandaufenthalt viel Zeit mit ihr verloren habe und dass es nach dem PCT Zeit wird, dies nachzuholen.

Die Sonne war bereits am untergehen und nach dem Pass waren noch zwei weitere Meilen bis zum Sheep Lake zu wandern was auch schnell geschafft war. Dort schlug ich mein Zelt auf und war dann auf einmal inmitten einer Familie mit 3 Vaetern und 9 Kindern. Mir wurde spaeter am Abend eine Dose Wein angeboten als sie herausfanden dass ich ein PCT Hiker bin. Da sagte ich natuerlich nicht nein. Das mundete ganz und gar super zu dem Chicken Teriakki und der zweiten Dose Wein die ich mit mir hatte. Danach bot ich den Kindern eine Tafel Ritter Sport Keks an. Diese Tafel verschwand sehr sehr schnell. Danach kamen die Kinder zu mir und wollten mit mir ueber dieses und jenes reden. Alles war einfach herrlich da es mich einfach an meine kleine Nichte Amelie erinnerte. Ich habe viel Nachoholbedarf mit ihr.

Noch ein paar Stichpunkte:

- Der Wind am See blaest unglaublich stark. Ich bin in meinem Zelt mit angezogenem langem Oberteil.

- Der Reissverschluss von meinem Zelt gibt allmaehlich den Geist auf.

- Ich muss gerade pinkeln, bin aber zu faul um aus meinem Zelt zu steigen. Was fuer ein Eintrag in mein Tagebuch!

- Amelie: Wenn dir das vorgelesen wird, mach dich auf einige Tage mit deinem Onkel gefasst! Ueberleg dir schon mal, was wir gemeinsam machen koennen!