Tag 66: Hoehenweg, Hitze & Bier

2018-07-23: Paradise Lake → Campsite in Seiad Valley


In der Nacht wurde es mal wieder nervig: Ein paar Rehe huschten wieder um das Zelt herum und ich hatte gut damit zu tun diese zu verscheuchen.

Der Wecker klingelte schon um 5:30. Nein, weiterstellen. Meine Ausrede war, dass meine Fuesse mehr Ruhe brauchen. Um 6 Uhr schaffte ich es dann aus dem Zelt und futterte die Nissan Noodles waehrend ich allmaehlich alles zusammen packelte. Der andere Wanderer welcher gestern schon vor mir hier war verliess den Platz ohne Tschuess zu sagen. Vllt. war er wg. den ganzen "Fuck off" und anderem Geraeusch genervt das ich gestern Nacht wg. den Rehen losgelassen hatte.

Um 7 Uhr startete dann der heutige Tag. Erst mal ging es gute 300 HM hoch. Ich lief heute wieder mal ohne Hoehenprofilkarte und wusste nur grob, dass es erst etwas hoch und dann lange Zeit tief runter in's Tal ging.

Oben angekommen sah ich gleich drei Rauchschwaden aufsteigen. War das das Feuer in 3 Tagen? Kann ja fast nicht sein! Dort bin ich doch schon bald, wenn nicht schon sogar heute! Irgendetwas war hier seltsam.

Wieder verlief der Weg weiter dem Bergkamm entlang, fast nie bedeutend auf oder absteigend. Einfach ein wunderschoener Hoehenweg. Leider gab's hier nicht viel zu sehen ausser die Tatsache, dass ich hier oben einen schoenen Blick auf die mit Rauch umgebenen Taeler hatte. Das wird mich auch heute erwarten, dachte ich mir.

Ueber die letzten paar Tage unterhielt ich mich immer mal wieder mit Wanderern die mit ihrer ultra-light Ausruestung zu kaempfen hatten. Diese war nicht wirklich brauchbar fuer intensive Wanderungen wie diese. Alle paar Wochen mussten diese dieses und jenes ersetzen. Ist das wofuer der PCT als Weitwanderweg steht? Irgendwas ist hier wirklich faul. Nicht nur, dass diese Leichtgewichtwanderer einfach nur sehr leichtgewichtig unterwegs sind, auf deren Ausruestung scheint auch kein Verlass zu sein. Das positive daran ist aber, dass anscheinend ein grosser Teil davon kostenlosen Ersatz bekommt. Hat das etwas mit Weitwandern zu tun? Irgendwie ist hier die Mentalitaet anders. In Europa bekommt man sehr gute Ausruestung die lange haelt, in der USA eine Ausruestung viel Werbung macht aber nicht aushaelt. Das wurde zumindest von einem Wanderer hier aus der USA mal gesagt. Immerhin laesst sich die Ausruestung schnell austauschen.

Bald kam ich bei der Buckhorn Spring an wo auch schon der seltsame Kerl herumsass der neben mir gezeltet hat. Auch ein anderer Wanderer namens Leon war der einen aehnlichen Plan wie ich hatte: Heute nach Seiad Valley und uebermorgen in Callahan's sein. Ich lief gleich weiter da ich noch genug Wasser mit eingeplant hatte.

Nun begann der Abstieg vor dem mir grauste. Seit Tagen sah ich in der Ferne die Rauchschwaden und nun stieg ich endgueltig zu diesen herab. Was fuer ein Dreck. Stueck fuer Stueck verlief der Weg weiter runter in ein bestimmtes Tal, weg von der gemuetlichen Hoehe mit freier Sicht ueber die Rauchschwaden hinweg. Ich bereitete mich in Gedanken auf's "Schlimmste", also wie bei Reds Meadow vor wo alles so erschien wie wenn man einfach im Nebel wandern wuerde.

Durch dicken Pflanzenbesuchs verlief der Weg, ich kaempfte mich teilweise regelrecht hindurch. In ein paar Kehren fuehrte der Weg weiter runter. Eines war mir nun auch klar: Ich wanderte den PCT mit relativ hohem Tempo, da von ueberall das Wasser sprudelte ohne dass es in der Karte eingezeichnet war. Dies war schon vorher der Fall, aber nicht so extrem.

Mit jedem weiteren HM Abstieg bedeutete dies auch mehr Hitze und heute stand sehr viel Abstieg an. So genau rechnete ich das gestern nicht nach, aber jetzt ...... 5500 Fuss, also ca. 1300 HM Abstieg bevor. Um das gerade mal zu erwaehnen: Die Muecken in Seiad Valley in der Nacht nerven gerade unglaublich!!! Ich bin komplett zerstochen, moechte aber nicht in mein Zelt, da es hier eine schoene Schaukelbank mit Tisch gibt. Das ist der groesste Luxus den ich jemals auf einem Campingplatz hatte.... naja.... bis auf die drecks Muecken....

Bald kam ich an der Stelle an, bei der es einen Campingplatz geben sollte aber schon bei dem ersten Anzeichen von einem Fluesschen und einer gemuetlichen Sitzgelegenheit machte ich Pause. Muecken gab's hier mal wieder, aber das interessierte mich nicht sonderlich. Ich genoss das kalte klare Wasser nach dem Filtern in das ich viel elektrolythaltige Tabletten schmiss. Nebenbei gab es noch wieder mal Beef Jerky und andere Riegel, z.B. Snickers. Das ist einfach keine gute Zwischenmahlzeit mehr. Dieses Beef Jerky ist vllt. gut fuer die ersten paar Tage, aber allmaehlich haengt mir das zum Hals raus. Nach dem ersten Liter war ich immer noch durstig und ich mischte mir noch einen zweiten Liter mit Elektrolyten zusammen. Und auf ex! Da ich sehr viel Hitze erwartete, nahm ich nach sehr sehr langer Zeit, vermutlich mehr als 1.5 Monaten auch die Zipperhosenteile von der Wanderhose ab. Diese hatte ich bisher immer noch dran um meine Beine und ein bestimmtes Muttermahl von der Sonneneintrahlung zu schuetzen. Aber die heutigen Temperaturen waren mir das nicht mehr wert.

Gut "gestaerkt" machte ich mich an den weiteren Abstieg. Dieser folgte dem Fluss und wechselte. immer mal wieder die Seite des Flusses. Dieser stechende Schmerz den ich gestern in meiner Hand verspuerte und den ich bereits vergessen hatte stellte sich auch als problematischer heraus als gedacht. Das hinterste Gelenk meines Fingers und ein Teil meines Handballen ist angeschwollen. Das war wohl wirklich ein Biss von etwas ekelhaftem, vermutlich der Ameise die ich darauf sah.

Als ob die geschwollene Hand nicht ausreichte, jetzt kamen auch noch Bauchschmerzen hinzu. Das kannte ich ja schon. Vermutlich habe ich einfach zu viel in zu wenig Zeit getrunken und die Elektrolyte halfen nichts, aber auch gar nichts. Etwa eine halbe Stunde verging mit periodischen Schmerzen welche ich gut ignorierte. Dann auf einmal begannen die schmerzenden Kraempfe im Unterleib. Kurz vor einer Bruecke entdeckte ich einen kleinen Trampfelpfad. Jetzt oder nie. So eine gute Stelle bekomme ich nie wieder. Es stellte sich als ein Trapfelpfad zu einem schoenen Campingplatz heraus. Verdammt. Aber es half nichts. Direkt daneben passierte es. Ich hatte nicht einmal Zeit um ein Loch zu buddeln oder das Toilettenpapier herauszuholen. Dieses foerderte ich zu Tage waehrend ich mit der Notdurft beschaeftigt war. Was fuer eine Scheisse! Begraben ging nicht, wegschaffen auch nicht. Aber ich fand ein Brett und einen grossen Stein. Besser als nichts. Tja, das ist auch PCT und es gehoert einfach dazu.

Kraeftig entleert stieg der Weg weiter ab und weiter ab. An den Karten konnte ich mich nicht mehr wirklich orientieren da der Weg einfach nur dem Fluss entlang lief. Die einzigen Orientierungspunkte anhand der Flussueberquerungen mittels Bruecken waren auch obsolet als ein langer Weg zur Rechten des Flusses anstand. In den Karten entdeckte ich noch Warnungen vor "Poisson Oak" was wg. dem Entfernen meiner Zipperteile wichtig war, aber so richtig viel davon sah ich auch nicht.

Es wurde heisser und heisser. Der Weg dauerte wg. den fehlenden Orientierungspunkte gefuehlt auch deutlich laenger. Viele Schneisen nahm der Weg mit sich und zuckelte auch hier und dort mal nach oben ab. Nebenbei wurde es auch heisser und heisser. Ich war einfach nur froh, zumindest die Zipperteile abgenommen zu haben. Nach einer Brueckenueberquerung war ich dann an einem Campingplatz mit Picknick Tisch.

Trotz des vorherigen Unfalls der schon ca. 3 Stunden vorher war machte ich mich wieder an's rehydrieren. Dieses mal aber nur mit einem Liter Wasser das ich nach einem kurzen Abstecher zu dem Fluss unter der Bruecke bekam. Hier begegnete mir auch wieder Ran der wohl zwischendurch eine Pause unter irgendeiner Bruecke eingelegt hatte ohne dass ich ihn bemerkt hatte. Er lief auch nach nur einer kurzen Pause weiter. Tja, ein ultralight Mensch der auch schon wieder einen neuen Rucksack braucht. Vorher plauderten wir noch ueber den weiteren Weg und ich stellte fest, dass jetzt ueber 6 Meilen Strassenhatsch anstanden. It's Sandals-Day!!! Ich wechselte meine Reifen auf Sandalen und los ging der Resthatsch.

Der Weg fuehrte nun in einer sehr grossen Kurve entlang des Flusses von Seiad Vallet weg. Ich haette diverse Stellen gesehen an denen man den Fluss haette ueberqueren koennen. Aber die Ufer waren zu steil da kein Weg existierte. Das wuerde den "wirklichen" PCT Hikern ein paar Meilen sparen.

Was fuer ein Mist war dass denn? Seit der mexikanischen Grenze fuehrte der Weg fast ausschliesslich ueber Wanderwege und nun kann ich diese Strasse entlang laufen? Die Natur hatte fuer mich aber eine besondere Trailmagic am Start: Brombeeren. Immer und immer wieder waren hier Straeucher am Wegesrand mit Brombeeren! Genauso zupfte ich mir immer und immer wieder eine Handvoll von diesen Leckeren Suessigkeiten. Teilweise waren diese sehr staubig und ich opferte mein wertvolles und knapp bemessenes Wasser um diese zu reinigen. Das war jeden Bissen wert. Die schwarzen dicken welche ich zupfte waren jeden Tropfen Wasser wert. Das ging so den ganzen Weg lang der sich ewig hinzog. Dann sah ich auch noch ein Schild welches kalte Limonade anbot und schon bald ein kleines

Kind vor mir. Tja. Sehr gerne, aber ich hab's eilig, war meine Ausrede. In Wirklichkeit konnte ich dem Kind nicht sagen, dass ich Angst vor der Scheisserei habe. Hm.... das war meine erste Luege auf dem PCT und eigentlich Luege ich gar nicht. Naja, das ist OK fuer 2 Monate. Andere luegen den ganzen Tag lang.

Dann ging's der Hauptstrasse entlang ueber den Fluss. Mein Wasser ging auch aus aber das war egal. Nur noch eine Meile....

Ich dachte dabei an vieles, z.B. meine Heimat und wie schoen es waere, jetzt zu hause bei meinen Eltern und dem Rest meiner Familie zu sein. Der PCT wird einfach zu einer wirklichen psychologischen Tortour. Ich vermute, dass es an dem vermissen von einem sicheren Platz liegt an dem man mal etwas laenger Zeit verbringt. Aber das bessert sich hoffentlich bald!

Nach dem laengerem Strassenhatsch kam ich dann auch endlich an. Seiad Valley Shop. Das erste was ich einkaufte war eine Cola und ein Bier. An dem Campingplatz lungerten schon etwa 8 weitere PCT Hiker herum und ich gesellte mich dazu. Highlight davon war, dass eine Gruppe mit Frisbee werfen anfing und zwar mit der ganzen Gruppe dazwischen. Auf einmal Traf mich das Drecksteil am Augenknochen. Was zum Teufel ist mit dem Kerl kaputt der das geworfen hat? Kurze Nachfrage ob alles OK ist und dann ging's weiter mit dem Frisbee werfen. Ich schaute mich erst mal im Spiegel an und stellte eine kleine Schwellung fest. Beim Rueckweg teilte ich einem mit, dass ich dem Kerl dort drueben beim naechsten Treffer eine in die Fresse schlage. Dieser Kasperl spielt doch tatsaechlich einfach weiter als ob nichts passiert waere und das ueber die Koepfe der anderen hinweg! Ich holte mir erst mal zwei weiter Bier zum kuehlen... innen und aussen!

Nach dem Duschen scheint es mir, als ob die Wunde zwischen grossem und Zeigezeher verheilt ist. Auch den stechenden Schmerz am linken grossen Zeher stellte ich nicht mehr fest. Mein Koerper scheint sich trotz der Strapzen gut regeneriert zu haben. Nichtsdestotrotz wird es mind. einen Tag Auszeit in Ashland geben.

Seiad Valley an sich besteht nur aus einem Campingplatz, einem Shop und Cafe welches morgen um 7 Uhr aufmacht. Nach versorgt bin ich mit viel Essen relativ gut. Mal schaun ob ich morgen das Essen mitnehme.

Die Muecken hier sind auf jeden Fall grauenhaft! Meine ganzen Fuesse sind zerstochen. Trotz der Rauchschwaden die man ueberall in den Taelern sehen konnte war hiervon in Seiad Valley nichts zu sehen. Vllt. haette das die Muecken etwas besaenftigt.

Das Abendessen bestand aus 2 Burritos und einem Nudelsalat. Alles vom Supermarkt.

Noch 2 Tage bis nach Ashland!!! Yeeha!!! Allerdings mit einer langen Umleitung ueber "Dirtroads", also wohl so etwas wie Forstwege. Das wird ein hartes Stueck Arbeit, da dieser Umweg 7 Meilen laenger dauert als der PCT. Aber egal, Hauptsache es wird nach Ashland gewandert. Ein Trail Angel ist auch schon kontaktiert. Hoffentlich klappt's!