Tag 36: Der letzte Pass vor der Zivilisation

2018-06-23: John Muir Notunterkunft → Selden Pass → Campsite


Geschaetzte Strecke: 29.5 Meilen

Die Nacht ueber bekam ich kein Auge zu. Ich weiss nicht ob es evtl. an der Hoehenluft lag oder daran, dass ich hier mit anderen das "Zimmer" teile. Die Notunterkunft bestand naemlich einfach nur aus einem einfachen Sechseckigem Raum. Hier und dort fing auch mal wieder jemand zu schnarchen an.

Wann ich genau aufgestanden bin, weiss ich nicht mehr, aber es war relativ frueh. Gestern stellte ich mir noch einen Becher Schnee in den Raum mit dem ich mir heute auch die Zaehne putzen konnte. Als ich in die Notunterkunft zurueck kam musste ich feststellen wie widerlich es hier drin stank. Aber das war wohl ganz normal, da hier jeder schon seit Tagen unterwegs war und die Socken nicht wusch. Mein Sockengeruch war nicht der dominanteste :-).

Um 6:15 Uhr verliess ich die Huette und startete die heutige Tour. Ich hatte einiges vor wenn alles klappt. Irgendwo dort vor mir unter der Schneedecke war der PCT. Wo genau war aber auch egal. Ich folgte den Fussspuren der anderen im Schnee. Dieser war einfach nur steinhart sodass ich keine Bedenken haben musste, in den Schnee einzubrechen. Das ist der grosse Vorteil wenn man in der Frueh oder spaet Abends auf Schnee wandert. Hier und dort musste ich auch einen Fluss ueberqueren. Das an sich war ja nichts besonderes wenn da nicht die vereisten Steine gewesen waeren. Ein paar Steine im Schmelzwasserfluss hatten naemlich eine dicke Eisschicht ueber ihnen welche wohl erst in ein paar Stunden dahin schmolz. Oft konnte ich an der Farbe erkennen ob der Stein vereist war, da diese deutlich dunkler als die anderen waren. Mit den Wanderstecken testete ich, ob der Stein auch rutschfest war wenn ich diesen zum weitergehen ausgewaehlt hatte.

Als ich so weiter runter wanderte dachte ich auch ueber die Laenge der Wanderung nach. Das ist Tag Nummer 7 bei dem ich hier in der "Wilderness" unterwegs bin und ich habe seitdem nie eine Strasse gekreuzt oder ein Auto gesehen. Dies ist wohl einer der laengsten Abschnitte mit einer solchen Charakteristik. Evtl. kommt spaeter in der zweiten Haelfte noch etwas.

Als ich weiter Abstieg sah ich auch durch die zwei begrenzenden Bergflanken hindurch und konnte nur blauen Himmel sehen. Ist das evtl. schon das Ende der hohen Berge? Es war kein grosser Berg mehr in Sicht. Ich bin gespannt!

Die Murmeltiere in diesem Park scheinen auch ein deutlich dichteres Fell zu haben als deren Verwandte in den Alpen. Vllt. kommt das von den haerteren Wintern? Neben den Murmeltieren sah ich heute auch viele Bambis. Ach, sind die suess!

Erneut bekam ich schon wieder Hunger nach nur zwei Stunden Wandern. Ich muss mir wegen dem Fruehstueck etwas ueberlegen. Ein einfacher Fruehstueckssnack ist wohl nicht genug.

Der Weg verlief neben Seen vorbei um dann knackig steil abzusteigen. Die naechste Strecke war dann von "Meadows" gekennzeichnet. Das sind eine Art Feucht- oder Sumpfgebiete die ganz huebsch anzuschauen sind. Nach etwas mehr als 3 Stunden sah ich eine Ranger Station und den dazugehoerigen Ranger. Ich fragte, ob ich mir mal diese Huette anschauen koennte was bejaht wurde. Diese kleine Huette hatte wirklich alles was man so braucht: Eine kleine Kuechenzeile, einen Tisch mit Bank und im OG vermutlich das Schlafgemach. Das ist nun die Unterkunft fuer den Ranger in dieser Saison. Leider wimmelte es dort nur von Muecken da er gerade entruempelte, weshalb ich schnell 20 Meter weiter Pause machte. Ich zog meine Socken aus, stellte fest, dass die tatsaechlich noch mehr stanken als die Tage zuvor, nahm die Solen aus meinen Schuhen und legte alles in die Sonne. Mein Schuhwerk war von dem gestrigen Schneehatsch naemlich immer noch nicht trocken. Von meinem kleinen Zeher konnte ich auch eine Lage Haut abziehen. Vllt. sollte ich mir diesen unnuetzen Zeher einfach mal amputieren lassen. Der ist wirklich ueberfluessig!

Ich begann erst mal etwas zu essen. Als ich die Dose mit dem Haehnchenfleisch oeffnete war ich geschockt: Da trage ich diese Dose mit mir seit 7 Tagen herum und darin befand sich zu ca. 50 Prozent Wasser!!! Aaaahh! So verputzte ich auch das und hinzu kamen noch Brezeln. Nach dieser Pause waren meine Schuhe fast wieder trocken und die Sohlen und Socken wieder komplett trocken. Das passt. Ich hatte nur Probleme die Socken ueber die Zeher zu bekommen, da diese ja jeden Zeher einzeln gestrickt hatten. So einen Schmarrn kaufe ich mir nie wieder fuer's Wandern aber ich erinnere mich, dass es leider keine anderen in Wrightwood gab.

Ein Schild warnte davor, dass man bei Hochwasser den normalen Weg nicht gehen sollte, nur war kein Hochwasser und ich lief den normalen Weg. So stand ich dann auf einmal vor dem "Evolution Creek", einem vllt. 20 bis 30 Meter breiten Fluss der vor mir ohne Bruecke floss. Jetzt kommt endlich mal eine richtige Flussueberquerung! In den Alpen ist es ja normal, dass sich bei jeder Flussueberquerung eine kleine Bruecke befindet. In der USA kann es aber sein, dass dort einfach keine Bruecke existiert. Ich zog meine Sandalen, kaempfte etwas mit den Muecken die mich befielen und watete durch den Fluss. Ganz schoen kalt dieses Schmelzwasser!

Danach fiel der Wanderweg mal wieder sehr steil ab. Einen weiteren Kniebrecherabstieg brachte ich hinter mich und ueberwindete einen weiteren Zufluss mithilfe einer Bruecke. Der "Evolution Creek" war nun so stark, dass eine weitere Querung von diesem auch mit einer Bruecke unterstuetzt wurde. Ansonsten haette man keine Chance gehabt. Der Weg fuehrte nun den Fluss entlang in einer Art weiter Schlucht.

Alles dauerte relativ lange und erinnerte mich an die Passage vor einigen Wochen mit den heissen Quellen als ich sehr sehr lange Zeit einem Fluss entlang laufen musste. Dann ueberquerte ich noch eine Bruecke und machte erst mal Pause. Das war auch die Grenze an der ich den Kings Canyon Park hinter mich brachte und ab jetzt hiess es John Muir Wilderness. Habe ich schon etwas ueber John Muir geschrieben? Der war derjenige, der einen Praesidenten zu den Nationalparks ueberredet hat, also das alles hier zu schuetzen. Ohne ihn waere hier vllt. alles abgeholzt. Wir haben ihm sehr viel zu verdanken.

14:10 Uhr: Es war Zeit zum rehydrieren, Wasser auffuellen und Essen. Es stand mir naemlich bald ein langer Aufstieg bevor bei dem es in den ersten 600 HM lt. Karte kein Wasser gibt und ich wollte mich auch erst noch staerken. Zum einen verputzte ich die Nissan Noodles. Ich wollte eigentlich darin das Kartoffelpueree einruehren, allerdings war davon nichts mehr zu finden. Davon hatte ich mir doch noch etwas aufgehoben, dachte ich mir! Aber es war spurlos verschwunden. Auch im Muellbeutel war nichts. So schmiss ich einfach etwas Thunfisch mit in diese Nudelsuppe. So war's auch sehr lecker.

Nach dieser kurzen Pause ging's nun um 14:45 weiter. Die Abzweigung runter zum See wuerde mich auch zu einer heissen Quelle fuehren, allerdings liess ich diese links liegen. Ich werde morgen heiss duschen, dachte ich mir. Da brauche ich keine heisse Quelle und ich hatte auch nicht die Zeit fuer diesen Umweg. Es standen mir jetzt 3000 Fuss, also wohl ca. 1000 HM bevor, die bewaeltigt werden wollten. Ich wollte den naechsten Pass noch unbedingt schaffen um morgen mehr Zeit in der

"Zivilisation" zu haben fuer Dinge wie Waesche waschen und trocknen. Ach ja, und in's Restaurant zu gehen!!!

Der Aufstieg war ungemein steil. Erst in sehr langen kehren, dann in sehr kurzen knackigen erfolgte dieser. Nach wohl 2 Stunden erreichte ich auch die Seen hier oben und es wimmelte hier nur noch von Muecken. Das ist ja kaum auszuhalten. Ich bespruehte mich mal wieder mit dem Mueckenspray von dem nicht mehr all zu viel uebrig ist. Ganze Mosquito Schwaerme gab es hier die mitten auf dem Wanderweg nur auf die Wanderer warteten. Auf wen denn sonst? Wuerden diese Muecken eigentlich sterben wenn es keine Wanderer mehr gaebe? Wo bekommen diese ansonsten das Blut her?

Ich war auch sehr erleichtert als ich sah, dass der Pass schneefrei war was ich auch erwartete. Der Pass lag naemlich 300 HM tiefer als der vorherige John Muir Pass und es war hier auch ein bisschen waermer.

Ich stellte auch fest, dass die Ameisen hier im Vergleich zum Anbeginn des PCT deutlich groesser sind. Warum, ist mir noch nicht klar.

Eine kleine Pause machte ich aber noch als es noch die letzten 300 HM zu bewaeltigen gab. Ich musste meine Trinkblase mit einem Liter auffuellen und rehydrierte auch gleich wieder mit einem Liter inkl. der ueblichen Elektrolyte. Wieder mal befiel mich hier ein Mueckenschwarm! Kaum auszuhalten!

Der Aufstieg selbst war wunderschoen. Neben den vorher erwaehnten Seen verlief der Weg auch oft neben einem kleinen Fluesschen hoeher und schlaengelte sich dann hoch zu dem gruen bewachsenem Pass. Beim Blick zurueck sah ich auch wieder das Fluesschen und den "Heart Lake" der die Form eines Herzens hatte. Einfach huebsch.

So, der Pass war nun bewaeltigt und die Sonne liess noch ein paar Strahlen auf den See fallen. Dieser See hatte etwas besonderes an sich. Dessen Berandung war ungemein unregelmaessig und in diesem befanden sich auch kleinere Miniinseln. Viel Zeit zum Bestaunen hatte ich aber auch hier nicht, ich musste noch einen Zeltplatz finden.

Wieder mal gab es hier unzaehlig viele Muecken die mich den ganzen Abstieg begleiteten. Ich muss wohl alle 2 Stunden das Mueckenspray neu auftragen da es so scheint als ob es die Wirkung verliert. Ich wollte noch ca. 300 HM Abstieg schaffen, sodass es in der Nacht etwas waermer wird. Jede 100 HM bedeuten zumindest in den Alpen 1 Grad Celsius mehr und diese 3 Grad waren es mir wert!

Der Abstieg verlief wie ein Wirrwarr durch den Berg aber vllt. hatte ich es auch einfach nur eilig. Als ich an dem "Meadow" ankam, befielen mich wieder unzaehlige Muecken und ich lief schneller um zumindest einige abzuhaengen. Aber ich wollte und sollte hier auch irgendwo campen.

Als ich eine passende Stelle ausmachte und stehen blieb, befielen mich gleich ca. 40 Muecken auf einmal. Schnell zog ich mein langes Oberteil an durch das diese nicht stechen konnte und zog auch mein Kopfnetz auf. So, das reicht erst mal als Notbehelf. Ein kleines Feuer machte ich auch noch was aber nicht ganz so viel brachte. Vllt. rauchte es nicht genug.

Zum Abendessen gab es Nudeln mit irgendeiner Pulversosse. Ich glaube, dass das haette ein Salat werden sollen, aber als warmes Hauptgericht passt das auch. Wieder mal spinnte der Kocher etwas. Ich hoffe, dass es das Gas ist und nicht der Kocher selbst.

So, ich bin hundemuede. Es waren fast 30 Meilen die ich heute hingelegt habe. Hoffentlich ist das Vermillion Resort schoen. Ich freue mich schon seit 7 Tagen darauf.