Tag 22: Wassermangel II

2018-06-09: Sawmill campground → Hikertown


Die Nacht ueber hatte ich fast keinen Schlaf. Der Wind, oder sollte ich sagen Sturm, wehte das Zelt von links nach rechts herum. Wg. den umgebenden Baeumen hoerte ich zuerst ein Rascheln welches schnell naeher kam und dann traf die Boe immer und immer wieder mein Zelt. Einen Hering hatte es auch herausgezogen, aber ich packte einfach etwas Gewicht in diese Ecke des Zeltes um es noch einigermassen stabil zu halten. So blieb ich die meiste Zeit wach. Die Idee, meine Fuesse ausserhalb des Schlafsacks etwas abkuehlen zu lassen war auch nicht gerade von Erfolg gepraegt. Zwischen drin toetete ich auch noch eine riesige Ameise und ein anderes Ungetier was es in das Innere von meinem Zelt geschafft hat.

Um 5:30 stand ich dann auf und war total geraedert. Das Zelt war schnell zusammen gepackelt und zum Fruehstueck gab es nur einen Morgenmuesliriegel. Zaehneputzen fiel, wie auch schon am Abend, wieder aus. Dafuer hatte ich kein Wasser. Gerade beim Schreiben putzte ich mir die Zaehne, da ich das total vergessen hatte.

Gegen 6:15 Uhr startete ich dann die heutigen Wanderung. Mein Plan war es, noch vor 14 Uhr in Hikertown zu sein um meinen Fuessen viel Erholung zu goennen. Auf dem PCT war ich wieder relativ schnell zurueck und der Weg verlief weiter durch ein Waldgebiet wie schon gestern die meiste Zeit am Ende des Wandertages. Wieder mal war es furchtbar angenehm in der Kuehle am Morgen zu wandern. Viel gab es hier nicht zu sehen. Es ging wieder mit viel Schlangenlinien durch die Natur ohne viel aus und ab. Als ich dann die Schotterstrasse an einer bestimmten Stelle kreuzte wusste ich von dem PCT Waterguide, dass es ein paar Meter weiter die Strasse bergab Wasser geben sollte. So liess ich meinen Rucksack hier im Schatten liegen an dem es auch noch einen schoenen Platz zum pausieren gab und machte mich auf dem Weg zum hoffentlich existierendem Wasser. Zwei Minuten spaeter stand ich vor einem ueberdachten Becken, wobei das Dach nur vllt. 20 cm vom Boden entfernt war. Das Wasser war mit einer Hand auch nicht zu erreichen, aber da hat schon jemand etwas gebaut: An einem Stock war eine Schnur befestigt und an dieser eine andere Schnur an welcher wiederum eine abgeschnittene Plastikflasche befestigt war. In der Plastikflasche befanden sich auch Steine. Diese kann man nun entlang einer Schraegen in dem Becken herablassen und damit Wasser heraus schoepfen. Das ist hier eigentlich fuer Tiere gedacht, aber als PCT Wanderer muss man halt auch mal zum Tier werden, wenn man nicht schon als Tier durchgeht. Natuerlich filterte ich das Wasser, was sich als sehr muehsam herausstellte. Mein Filter funktioniert nicht mehr richtig und ich weiss nicht genau warum das so ist. Ich muss den wohl mal richtig reinigen. Nach einem Liter gab ich das Filtern auf und lies meine zweite Flasche leer.

Nun war es Zeit fuer das verspaetete Fruehstueck. Mit den einen Liter Wasser wollte ich rehydrieren. Heute machte ich die zweite Dose SPAM auf. Dieses mal gab es Schinken, einfach nur Schinken ohne irgendwelche drecks-Teriaki Zusatzstoffe. Das schmeckte auch unglaublich gut! Dazu gab es noch ein bisschen Tortilla Wraps als Brotersatz. Vor und Nachspeise waren Snickers die ich auch noch vernichten musste. Ich versuchte soviel wie moeglich zu essen. An's Fettwerden ist hier ja sowieso nicht zu denken. Heute werde ich hoffentlich auch mein erstes Essensversorgungspaket bekommen mit dem ich bis nach Kennedy Meadows kommen werde. Kennedy Meadows, das Mekka der PCT Wuesten Wanderer. Ich kann nur wiederholen, dass es ab diesem Zeitpunkt fuer die meiste Zeit Schluss ist mit Wassermangel.

Irgendwann heute habe ich auch die 500 Meilenmarke durchbrochen, aber das ist auch schon nichts wirklich besonderes mehr.

Der Weg verlief nun nochmal ein kleines bisschen hoeher und in eine Landschaft die mich an einen uebergrossen japanischen Bonsaigarten erinnerte. Hier war ordentlich ein Foerster am Wert. Aus irgendwelchen Gruenden waren bei fast allen Baeumen bestimmte grosse Zweige abgeschnitten. Warum, kann wohl niemand so richtig verstehen. Man stelle sich nun vereinzelte, beschnittene Baeume vor welche von einem violetten Blumenmeer durchzogen wurden.

Nun ging's zum Abstieg ueber. Zuerst ueber eine Forststrasse welche sich Stueck fuer Stueck in einen Wanderweg wandelte. Direkt in Wanderrichtung lag nun die Wuestenlandschaft und Berge dahinter welche ich morgen durchwandern werde. Eigentlich haette hier irgendwann ein grosser Campingbereich sowie eine Wasserquelle kommen sollen. Als ich lange Zeit in Richtung Osten lief und einen Blick auf die Karte warf war mir klar, dass ich die Abzweigung verpasst hatte. So eine Scheisse! Ich hatte jetzt noch ca. 1 Liter Wasser bei mir und noch 8 bis 9 zu Wandern, allerdings ohne Aufstieg. Das koennte auch noch so reichen. Als der Abstieg nach drei sehr langen Kehrtwenden erledigt war suchte ich erst mal wieder nach einen Watercache, fand aber nichts.

Der Wanderweg verlief nun ein bisschen parallel zur Strasse und es gab sogar ein Schild "Water"! Was? Wasser? Hier? Wie kann das denn sein? Dem Schild folgte ich fuer eine Minute um dann festzustellen, dass dort kein Wasser war. Das Schild war wohl fuer den Fluss gemeint, der vor ein paar Monaten noch Wasser gefuehrt hat, jetzt aber komplett ausgetrocknet war. Wieder nichts. Kurze Zeit spaeter kam ich dann bei der Strasse heraus und pausierte erst mal bei einem schoenen Stein im Schatten. Als ich das Wasser checkte stellte ich fest, dass ich noch einen Liter Wasser habe. Das reicht sicher noch fuer die naechsten 6 Meilen, aber wenn ich mehr haette, waere es auch angenehmer. Auf der Strasse kam alle paar Minuten mal ein Gefaehrt vorbei. Naja, ich kann ja mal was probieren. Ich nahm meine leere Wasserflasche, oeffnete diese und zeigte dem ersten Auto was passierte die leere Flasche wobei ich mit dem Zeigefinger auf die Oeffnung deutete. Schon das erste erste Auto hielt an und ich fragte nach Wasser. So bekam ich gleich mal einen halben Liter. Dann fragte mich die nette Dame, ob ich noch mehr brauche und so bekam ich sogar einen zweiten halben Liter! Ach wie schoen das ist. So machte ich mir eine kalte schmackhafte Schokomilch. Das Pulver konnte ich naemlich auch einfach in ein kaltes Wasser schuetten. So rehydrierte ich gleich wieder mit einem Liter Schokomilch.

Ich denke gerade darueber nach, woher ich mein Wasser die letzten 3 mal bekommen habe. Das erste mal aus einem Rohr, das zweite mal aus einem Trinkpool fuer Tiere und das dritte mal von einem vorbeifahrendem Auto. Das ist PCT ;-).

Noch etwas mehr als 2 Stunden waren zu laufen und es war kurz vor 12 Uhr. Hitze hin oder her, ich wollte so frueh wie moeglich in Hikertown sein. Also ging's jetzt weiter. Es gab keine Baeume mehr und die Sonne brannte mal wieder herunter. Das Wasser teilte ich mir ein und trank nur dann, wenn mir die Kehle zusammengetrocknet war. Der Weg ging nun ueber viele Huegel hinweg. Irgendein spitzer Stein stach mir dann immer in meinen grossen Zeher und hin- und herschuetteln konnte auch nicht helfen. Als ich nach einer Stunde ein schattiges Plaetzchen fand, nahm ich dort Platz. Mein Vorhaben: nur mal kurz den Stein entfernen und die Socken saeubern. Nach 5 Minuten wurden es 10 Minuten und dann wurden es doch etwas mehr als 30 Minuten. Die fast schlaflose Nacht machte es mir leicht, vor mir hinzudoesen doch dann raffte ich nochmal auf. Nur noch eine Stunde laufen, dann bin ich da.

Die gruenen Huegel welche ich heute und gestern entlang gelaufen bin waren zu meiner rechten Seite und die Wueste zu meiner linken. Noch ein paar Hoehenmeter aufwaerts, dann nochmal runter und die lange kerzengerade Strasse fuehrte mich nach Hikertown.

Hikertown selbst sieht wie eine Filmkulisse aus. Es stehen kleine Haeuschen herum die alle wie Gebaeude aus einem Westernfilm benannt sind. Z.B. Gunshop, Jail, Postoffice, etc. In einem Gebaeude fand ich auch eine Dusche. Dann gab es noch Eimer in denen ich eine Waesche machen konnte. Nach einer Stunde bekam ich dann auch mein Versorgungspaket welches ich vor 3.5 Wochen losgeschickt hatte. Der Kaese darin war alles andere als frisch und schimmelte vor sich her. Wie schade... Aber alles andere sah noch super aus. Das ist nun Essen fuer 8 Tage und ich werde mich ab morgen zu Tode schleppen.

Hier lernte ich auch andere PCT Hiker wie z.B. "Dream crusher" kennen. Dieser hat einen Chinesischen Hut auf und trinkt schon den ganzen Nachmittag. Ein Kerl ganz nach meinem Schlag :-).

Als ich vor der Dusche in einen Spiegel schaute und meinen Bauch sah wurde mir auch klar, dass ich unglaublich viel abgenommen hatte. Und das in 3 Wochen. Ich bin gespannt wie ich nach weiteren 4 Monaten aussehen werde.

Abends ging es noch per Minibus zu dem 4 Meilen weiter entfernten Cafe. Dort gab es einen PCT Burger, also einen Double Cheese Burger mit Bacon. Was fuer ein Schlemmerleben. Das ist aber die kommende Woche nicht mehr existent. So, Zeit fuer's Bett. Ich muss heute Nacht um 3 Uhr los laufen um die Wueste vor der Hauptsonne durchquert zu haben, sonst wird es unglaublich heiss.