Tag 20: Rocks rock!

2018-06-07: Campground → Hiker's heaven


Als ich heute aufstand war mir noch nicht klar, was auf mich zukommen wird, wobei das meiste sehr positiv war. Ich blieb extra laenger liegen um meinen Fuessen etwas mehr Entspannung zu geben. Die Nacht war relativ angenehm. Der Trick, die Fuesse nicht in den waermenden Schlafsack zu stecken sonder ausserhalb etwas abkuehlen zu lassen scheint zu funktionieren. Das muss ich jetzt nur noch fuer ein paar weitere Tage verifizieren.

Am Wandertag zuvor ist mir auch noch mein USB Anschluss zu meiner Batterie kaputt gegangen. Damit ist der Anschluss der Solarzellen zu der Batterie nicht mehr zuverlaessig. Tja... was macht man da? Amazon!!! Vor dem Schlafen gehen schlug ich mir so die Zeit um die Ohren indem ich mit einer hoechst unverlaesslichen Verbindung eine Bestellung nach Hikertown durchfuehrte welche mir einen neuen Akku, USB Kabel und anderes Zeug hoffentlich zuschickt.

Als ich aufstand war jeder bis auf Avatar noch im Tiefschlaf, nur sie war bereits unterwegs. Um 7 Uhr war auch bei mir alles zusammen gepackelt und ich machte mich an den langen Abstieg.

Ein paar Berge in der Ferne schienen wie in Schnee gehuellt zu sein. Allerdings war das lediglich ein hell-weisser Stein welcher diese Illusion schuf.

Die kleinen putzigen Reptilien welche ich seit Wochen betrachte verdienen jetzt auch mal einen extra Paragraphen: Die sind einfach nur putzig. Manchmal laufen sie einfach nur in den naechsten Steinschlitz, ein anderes mal rennen die vor mir her. Wie sie das machen ist einfach nur suess. Links und Rechts, arschwackelnd mit einer Geschwindigkeit wie ich sie mir nie vorstellen haette koennen. Teilweise sind sie von mir so verwirrt, dass sie auch in genau meine Richtung rennen. Die sind einfach knuddelsuess.

Meine gesprungene Lippe ist auch fast vollkommen verheilt. Das Feucht halten hat anscheinend viel geholfen und es ist fast nichts mehr zu sehen.

Der Wanderweg verlief die meiste Zeit absteigend und die Landschaft aenderte sich wieder in ein trockenes irgendwas. Nach einer Stunde konnte ich in der Ferne auch abstrakte Gebilde sehen, ausgewaschene Sandsteine in einer Form wie sie, wieder mal, nur die Natur schaffen konnte. Der Abstieg selbst fuehlte sich unendlich lang an, nicht nur weil es zwischen drin auch mal wieder bergauf ging. Sonnenschutz gab es nicht, aber es waren ja nur ungefaehrt 600 HM.

Das erste Ziel war der KOA Zeltplatz und diesen sollte ich nach ca. 2.5 Stunden erreichten. Der PCT Wanderweg fuehrte mal wieder in umstaendlichen Zuegen neben der Strasse entlang, aber ich sah von oben schon Avatar und wie sie die Abkuerzung ueber die Strasse nahm. Tja, warum sollte ich das nicht auch tun? Das sparte wieder mal ein paar Minuten ein und ich uebersah auch nichts sehenswertes. Noch schnell die Strasse ueberquert und gluecklicherweise uebersah ich das Hinweis Schild nicht, was mich zum KOA Campingplatz verwies. Dort legte ich auf einer schattigen Picknick Bank meinen Rucksack ab und machte mich auf die Suche nach dem Einkaufsladen.

Dort lief mir dann auch nochmal Avatar ueber den Weg. Sie informierte mich darueber, dass es kostenlosen Kaffee gibt und beim Laden angekommen holte ich mir gleich eine Tasse. Das ist wohl das erste mal seit anbeginn der Wanderung, dass ich Kaffee trinke! In dem Laden kaufte ich auch noch einen halben Liter Vitamin Wasser mit Dragonfruit Geschmack, sowie Cola und Orangenlimo. Damit war ich perfekt ausgestattet und es ging weiter zurueck zu meinen Rucksack. Dort wurde jetzt aufgekocht: Nissan Noodles deluxe. Das bedeutet diese Nudeln zusammen mit Beef Jerkey und Kartoffelbrei. Ich stelle mir dabei die Frage, wie lang ein Mensch nur von diesem Essen ueberleben kann. Gut eine Stunde verbrachte ich bei KOA, dann raeumte es meinen Darm durch. War das nun deshalb, weil ich zuviel Fluessigkeit zu mir genommen hatte? Aber ich achtete extra darauf, dass ich nicht zuviel auf einmal trinke. Naja, vllt. war's einfach der Kaffee.

Schon beim Abstieg sah ich, was auf mich zukommen wird: Ein Wanderweg ohne Baeume. Den Aufstieg (ca. 400 HM, also fast nichts) wollte ich vor der Mittagshitze schaffen und so startete ich gegen 11 Uhr los. Nach der Ueberquerung der Bahngleise kam ich dann an einem besonderen Denkmal vorbei: Das wurde vor einigen Jahrzehnten errichtet, als alle Strecken von dem PCT final erschlossen wurden. Dort lernte ich auch "Dish" kennen, ein Asiate welcher viel fuer seine Schwester bloggt. Er hatte auch einen Schirm mit dabei mit dem er einen Teil des kommenden Anstieges bewaeltigte. Ich selbst traeufelte mal wieder Wasser auf meinen absolut tollen Wanderhut. Ein zerfetzt und kaputtes Teil.

Wieder mal verlief der Weg entlang der San Andreas Fault. Das seltsame ist, dass sich diese Fault nicht visuell erkennen laesst. Ich haette wirklich stark vermutet dass man diese an unterschiedlichen Gesteinsformationen, steil abfallenden Haengen, etc. erkennen koennte, aber nichts, gar nichts!

Die Huegel durch die sich der Weg bahnte waren auch von Motocrossbike Spuren durchzogen. Das haette ich jetzt auch gerne. Den Highway konnte ich schon nach einiger Zeit erkennen und nun stand ein bisschen Abstieg an. Nach ein paar Minuten sah ich auch Avatar im Schatten von einem kleinen Busch sitzen. Nanu, wie ist denn die an mir vorbei gekommen?!? Sie bot mir einen Schluck von ihrem Pepsi Cola an was ich dankbar annahm. Mjam!! Dafuer packte ich die Dose ein. Nach 15 Minuten im Schatten, Avatar lief schon voraus, machte ich mich auch an den weiteren Weg. Bisher war alles einfach stink langweilig.

Zwischendurch machte ich mir auch Gedanken ueber Poisson Oak und Poodle dog bushes. Anscheinend bin ich damit schon in Kontakt gekommen, allerdings ohne Reaktionen. Vllt. bin ich dagegen einfach immun! Da hilft es wohl doch, dass ich als Kind immer wieder im Dreck gespielt hatte ;-).

Der Highway erschien mir auf einem kuenstlichen Damm errichtet worden zu sein. Darunter verlief ein sehr langer Tunnel (der Highway war ca. 50 Meter ueber mir) welcher in eine ploetzlich geaenderte Landschaft fuehrte. Das war wie durch ein Portal zu einer anderen Welt zu steigen, einfach genial!

Ich befand mich nun in einem Sandstein Bereich welcher vom Wasser geformt war. Viele abstrakte Bildnisse gab es hier zu sehen, Aushoehlungen und eine hohe Vielfalt an Pflanzen. Diese Vielfalt konnte ich aber nur deshalb sehen, weil es viele Schilder gab welche die Pflanzen beschrieben. Umgeben von diesen wilden Gesteinsformen schritt ich voran, immer noch von dieser Naturkunst umgeben zu sein. Es war so eine Art Mini-Canyon von Mesa Verde. Hier koennten durchaus vor langer Zeit Menschen gelebt haben um die natuerlichen Hoehlen als Haus auszunutzen.

Nach einem kurzen Aufstieg war ich nun oberhalb von diesem Mini Canyon und durfte das naechste Spektakel in der Ferne sehen. Das waren ein Fels der Schraeg und Spitz aus dem Boden ragte wie wenn ihn ein Spitzhackl von unten rein geschlagen haette. Das hatte schon etwas von den Flatirons aus Boulder. Einfach sehenswert.

Ja, damit hat sich nach den letzten Tagen Langeweile Hatsch der heutige Tag endlich mal wieder rentiert. Nach dem schroffen Felsen hatte ich dann den PCT endgueltig verloren. Dieser Felsen wird mir aber immer in Erinnerung bleiben. Ich spielte ja mal als junger Bub Computerspiele und war von deren Ideen beeindruckt. Mittlerweile weiss ich aber, dass es dafuer eine grosse Inspiration aus unserer Natur gab.

Nach diesem besonderen Felsenkonstrukt gab hier keine Wegweiser mehr und so lief ich einfach der Schotterstrasse entlang um dann auf Avatar zu stossen die von einem zufuehrenden Wanderweg, auch nicht der PCT, auf die Strasse kam. So liefen wir den Rest nach Agua Dulce zusammen neben der Strasse.

Dieser Moment war wirklich etwas besonderes, da es wirklich das erste mal war, dass der PCT selbst direkt durch ein Stueck Zivilisation verlief. Dieser Wanderweg hat einfach etwas besonderes an sich und ich stelle mir immer noch die Frage, was in dem Menschen vor vielen Jahrzehnten vorgegangen sein muss, als er diesen Weg geplant hat. Damals gab es wohl auch noch keine Autos fuer jedermann weshalb auch die per-Anhalter mitfahren Moeglichkeiten sehr reduziert waren.

Als wir dann so neben der Strasse entlang liefen hielt auch ein Truck neben uns an und fragte uns ob wir nach Hiker's Heaven wollen. Klar! Aber erst zum Supermarkt und der nette Mann am Steuer sagte uns, dass er uns dort einfach abholen wird. Was ist denn das fuer ein toller Service!!! Beim Supermarkt deckte ich mich mit weiterem Essen fuer 3 Tage ein wobei ich vermutlich nur 2 Tage benoetigen werde. Mit dabei war auch noch ein 6-Pack Sierra Nevada IPA, was auch sonst? Mann, wie sehr ich mich schon auf die Sierra freue!

Dann wartete der nette Mann auch schon an der Ausgangstuer und schwupps, ging es eine endlich lang erscheinende Strasse entlang zu Hiker's Heaven, dem Platz bei dem sich wohl jeder PCT Hiker von den letzten Tagen erholt. Dort wurde alles geboten, was dar PCT Hiker Herz gehoert: Eine heisse Dusche, Zeltplaetze, Shuttleservices zu anderen Oertlichkeiten, eine Kueche, eine Naehmachine, einen Computer, sehr schnelles Internet, etc. einfach alles. Und das besondere daran ist auch noch, dass alles sozusagen kostenlos ist und auf einer freiwilligen Spende basiert. Das ganze wird von einer Frau namens "Donna" koordiniert, die das hier wohl schon seit 25 Jahren macht. Einfach herrlich. Ich wollte mich bei ihr persoenlich bedanken, aber da hatte sie ihren Nachmittagsschlaf. Zuerst machte ich mich an eine Dusche. Seit Tagen stinke ich schon wieder gewaltig. Mich graust es vor mir seit ca. 1.5 Tagen. Das wird sicher noch besser. Nach der Dusche ging es dann daran, sowohl meine Hose als auch meinen Hut an der Naehmaschine zu naehen welche auch noch eine Springer war. Wie waere das gescheitert, wenn mir meine Oma nicht erklaert haette, wie ich naehen kann? :-) So hantierte ich als Semi-Professioneller Schneider an der Naehmaschine herum. Der Hut brauchte einige Seitenstiche mehr als erwartet. Oben rum war sehr viel zerrissen, von stacheligen Straeuchern, Aesten und anderem Haengenbleiben. Man muss vllt. auch bedenken, dass das mein Wanderhut seit mind. Muenchen-Triest ist, wenn nicht sogar Muenchen Venedig. Meine Hose musste ich auch noch naehen. Die eine nette Frau welche meinen Schritt genaeht hat, hat zwar tolle Arbeit geleistet und das haelt bombenfest, allerdings reisst nun die Hosentasche aus in welche ich immer mein Handy platziere. Das wurde auch noch schnell gefixt.

Habe ich schon erwaehnt, wie toll die Dusche war? Fantastisch!!!! Dann brachte ich fast meine saemtliche Waesche zum Reinigen. Das ist hier alles hoch durchorganisiert. Die kommenden 2 Stunden war ich nun ohne Hose unterwegs, da ich wirklich beide Hosen zum Waschen gab. Wer weiss, wann ich das naechste mal dazu kommen werde? Zwischenzeitlich hantierte ich dann am Computer herum, allerdings mit wenig Erfolg, da das System auf dem Supercomputer einfach nur Mist war.

Nach einiger Zeit hoerte ich auch jemand anders sagen, dass er 28 Pfund verloren hat, also 14 Kilo. Ja, das kann durchaus passieren und aehnliches kenne ich auch schon von mir. Man verliert unglaublich schnell viel Gewicht und gleiches ist auch bei mir passiert. Ich bin zwar noch nicht gertenschlank (das kommt noch :-) ), aber der ganz grosse Bauch ist schon zu einem grossen Bauch geschrumpft.

Morgen ist es nun nicht mehr moeglich, den PCT weiter zu wandern. Aus Sicherheitsgruenden wurde uns auch sehr empfohlen, nicht die Strasse entlang zu wandern, was 30 Meilen Strassenhatsch ohne Seitenstreifen bedeuten wuerde. Stattdessen werde ich zusammen mit Avatar einfach ein Uber nehmen um morgen Frueh die gesperrte Strecke zu umfahren. Wieder einmal bin ich unglaublich froh, dass ich meine Hitchhiking Regel fallen gelassen habe. Das macht das PCT Wanderleben einfach nur um ein vielfaches toller.

Abends kam ich auch noch per Anhalter zurueck nach Agua Dulce und futterte mich beim Mexikaner komplett voll. Heute nacht habe ich auch vor, das erste mal Cowboy Camping zu versuchen. D.h., ohne Zelt einfach so im Schlafsack unter freiem Himmel zu uebernachten. Oder auch nicht...