Tag 12: 10%

2018-05-30: Mission Creek campsite → Big Bear City


Wieder mal wachte ich ohne Wecker auf und ging den Morgen wieder gemuetlich an. Erst mal gab es ein ausgiebiges Fruehstueck. Oak-Dingsbums Fruehstueck, heisse Schokolade und dazu ein paar Energieriegel. An Kalorien sollte es mir heute nicht mangeln. Ausserdem komme ich spaetestens morgen in eine Stadt um neuen Vorrat zu kaufen. Um 7 Uhr war dann Abmarsch. Nach dem gestrigen Mega-Aufstieg gab es heute im Vergleich dazu fast nichts zu tun. Nur ein paar 100 HM auf und ab.

Beim Losmarschieren ist mir auch aufgefallen, dass ich keinen Muskelkater mehr habe. Insbesondere bei den Schultern fehlte sich nichts mehr. Der Wanderweg verlief immer sehr schoen in einem Wald. Ein bisschen auf, ein bisschen ab. Das haette auch der Apalachien Trail sein koennen den ich irgendwann mal mache, wenn ich alt bin :-). Immer wieder kreuzte ich viele andere Wege, Schotterstrassen, teilweise lief ich auch auf Schotterstrassen.

Als ich hier und da mal einen Blick zurueck warf, sah ich auch den hoechsten Berg von diesem Gebirge und auf diesem befand sich tatsaechlich immer noch Schnee. Wahnsinn. In noch keinem anderen Gebirge der Welt wurde ich solchen Extremen ausgesetzt.

Der PCT war ab einem Zeitpunkt auch schwer zu erkennen aufgrund anderer kreuzenden Wege. Dann sah ich einen Wanderer am Rand sitzen der nur meinte, dass sein GPS nicht richtig funktioniert hat und er Probleme hatte. Oh Mann! Schon wieder so ein GPS gesteuerter Roboter. Ich finde es echt schlimm, dass jeder, aber wirklich jeder ausser ich staendig auf ihr Handy starren und wie Roboter von ihrem Handy gesteuert herumlaufen. Hat das noch etwas mit Abenteuer oder Natur zu tun? Die App selbst mag ja gut sein, da sie alles moegliche anzeigt wie z.B. Distanz zum naechsten Wegpunkt und insbesondere Nachrichten ueber bestimmte Quellen um zu wissen ob dort noch Wasser ist. Aber ist es wirklich noetig, staendig damit herumzulaufen? Wie auch immer, ich verzichte momentan immer noch darauf.

Nach den ersten 2.5 Stunden nach dem ausgiebigen Fruehstueck war ich schon wieder hungrig. Ein weiterer beeindruckender Ausblick wurde auch nach Osten geboten. Dort gab es nur noch ein einfaches Flachland, wohl wieder 2000 HM unter mir. Ewige Weite.... und natuerlich unglaubliche Hitze der man dort ausgesetzt waere. Nach einem weiteren Strassenhatsch begegnete ich dann "Diamond Dave", einem Trail Angel welcher gerade Arbeitspause hatte und ein paar Wanderer ansprach. Er selbst unterstuetzt die Wanderer mit "Watercaches" und ein bisschen Obst als Trailmagic. Ich dankte ihm recht herzlich fuer die Trailmagic und lief dann weiter. Nach einer Abzweigung gelangte ich dann ploetzlich zur Hauptstrasse. Nanu? Da muss wohl was falsch laufen. Ich wunderte mich schon vorher, warum ich ueber eine Teerstrasse laufe, was ja noch nie beim PCT der Fall war! Laut Karte sollte ich da nicht sein. Nun lief ich wieder die 5 Minuten zurueck wo mir auch Diamond entgegen kam und ich mit ihm ueber den versteckten Wegweiserpfosten scherzte den ich nun auch sah. Ich legte noch Steine quer zur Strasse um nachfolgenden besser zu signalisieren, dass das nicht der PCT ist und hatschte dann wieder den PCT weiter.

Jetzt schreibe ich schon wieder am naechsten Tag weiter. Der gestrige Tag hatte doch nicht mehr zu bieten als erwartet. Doch nun erst mal hier weiter:

Ein kleines bisschen spaeter sah ich dann meinen ersten Baeren. Ein richtig grosser, schwarzer. Er lief aber nur im Kreis. Der Grund dafuer war einfach: Er war in einem Kaefig eingesperrt. Was fuer eine Schande. Wieder ein bisschen spaeter machte ich dann auch noch Pause an einem schoen schattigem Plaetzchen mit Ausblick. Jetzt galt es sich tot zu fressen. Der Baerenkanister sollte jetzt bald leer sein wenn ich alles richtig kalkuliert hatte. Ein bisschen zu viel Wurst hatte ich, was aber nur schwer zu aendern gewesen waere, da diese in einer festen Anzahl an Scheiben verpackt waren. So gab es heute einen richtig fleischigen Tortilla Wrap.

Jeremy kam dann auch vorbei. Eigentlich dachte ich, dass er vor mir sein muesste, aber als er mit einem Kacktus beschaeftigt war, bin ich wohl an ihm vorbei gelaufen. Er machte hier auch Pause und wir quatschten ein bisschen ueber dieses und jenes. Als er mit seinem Handy herumspielte meinte er auf einmal, dass es in einer Meile eine Couch geben wuerde sowie Trailmagic. Was soll denn dass fuer ein Scheiss?!? Trailmagic ist doch erst dann toll, wenn man von dieser ueberrascht wird. Immer diese Kiddies mit ihren bloeden Telefonen. Die ganze Zeit starren die auf diese Wischglump Teile statt mal ohne dem auszukommen. Geht man nicht auch Wandern, um der Technik zu entfliehen? (Man bedenke, dass ich diesen Bericht gerade mit einer Bluetooth Tastatur auf meinem Handy schreibe, aber nur weil es leichter als ein Papertagebuch waere). Jetzt machen die sich auch noch die Unwissenheit und damit Vorfreude ueber die Trailmagic kaputt. Naja, was soll's. Als ich weiter lief stellte sich auch noch heraus, dass es zwar die Couch gab, aber keine Trailmagic. Die wurde schon von anderen weggesoffen. Das war auch nur eine Werbung von dem Hostel bei Big Bear Lake, was weit hinter Big Bear City liegt.

Nach einigem weiterem Wandern konnte ich dann auch in sehr weiter Ferne den ausgetrockneten See sehen. Wenn alles gut gehen wuerde, dann laufe ich diesen heute noch entlang. Die Strecke dorthin schien wieder einmal sehr sehr weit zu sein, aber ich weiss ja mittlerweile was ein menschlicher Koerper so alles an einem Tag schaffen kann.

Schon die ganzen letzten Tage lang nahm ich immer wieder diesen frischen Tannennadel Geruch wahr. Dieser intensivierte sich ueber die letzten Tage. Das ist fast so wie wenn man in einer Sauna mit Tannennadelaufguss ist. Einfach toll.

Die urspruenglich angedachte Wassernachversorgungsstelle stellte sich als Flop heraus. Alles ausgetrocknet. Nicht mal der tiefgebohrte Brunnen fuehrte Wasser. Jeremy wollte noch laenger hierbleiben, mich aber trieb es gleich weiter. Desto weiter ich bergab ging, desto mehr wurde aus den Schlammpfuetzen ein kleines Rinnsal und nach einer Stunde konnte ich dann an der letzten Stelle an der der Wanderweg das Rinnsal kreuzte etwas Wasser gewinnen.

Der Weg verlief dann noch ein letztes mal kurz fuer ca. 100 HM nach oben und bald hatte er wieder sehr viel mit einer Wueste gemeinsam. Das war's dann wohl wieder mit schattigen Wanderwegen was aber kein Problem mehr war da es nicht mehr allzu heiss war. Nur das Wasser war etwas knapp. An einer Stelle mit schoenem Ausblick drehte ich mich auch noch einmal um und blickte auf das Bergmassiv was ich ueberschritten hatte und verabschiedete mich mit "good bye". Das war wirklich eine knackige Wandertour mit vielen Erlebnissen. Erst die Getraenke in den Tiefkuehlboxen, dann diese unwahrscheinlich schoenen Sandsteinberge, dann die kleine Oase mit Badewanne, die 2000 HM Aufstieg welche meistens am Fluss verliefen. Einfach traumhaft, aber es war auch ein Knochenjob.

Irgendwo sollte nun die Abzweigung kommen an der ich nach Big Bear ueber die Strasse laufen sollte. Doch da war nix ausser eine Unmenge an kreuzenden Schotterwegen und Pfaden. Stattdessen fuehrte der Weg wieder weiter hoch. Nanu, ist da nichts ausgeschildert?!? Ich hatte jetzt wirklich keine Lust mehr auch noch den Weg zu suchen, da ich schon wusste, dass ich wohl vorher haette abbiegen muessen. Mein Vorhaben war ja, den PCT ohne GPS zu wandern, aber fuer die Abstecher in die Zivilisation werde ich von nun an das GPS verwenden. Genauso wie fuer die Orientierung in den Staedten. Das macht mein Leben deutlich einfacher. Mit dem GPS stellte ich dann auch wie vermutet fest, dass ich zu weit gelaufen bin. Was fuer ein Mist, da ich heute sowieso eine sehr lange Strecke vor mir hatte. Nach 5 Minuten gelangte ich zu der Abzweigung zurueck und folgte Pferdespuren die mich zu dem Ausgang bei einer Ranch fuehrten. Von nun an war Strassenhatsch angesagt.

Damit ueberspringe ich im uebrigen auch einen kleinen Teil von dem PCT welcher nicht gerade angenehm ist. Erst mal ist der Campingplatz abgefackelt, dann gibt es Wasserprobleme und dann ist diese Strecke auch noch stink langweilig. Es gibt nichts zu sehen. Da ist mir der Abstecher nach Big Bear City doch lieber. Von den Meilen macht das aber insgesamt keinen Unterschied. Ach so, etwas sehr sehr wichtiges war es ja auch noch, dass ich Internetzugang ueber einen Computer mit USB Port bekommen musste. Dazu mehr spaeter.

Die Beschreibung von einem unendlich langen Strassenhatsch von 1.5 Stunden ueberspringe ich. Bis auf den ausgetrockneten See gab es nicht viel zu sehen. Dann kam ich auch schon in Big Bear City an und erblickte gleich einen Supermarkt. Prima! Erst mal Getraenke einkaufen. Als ich in dem Supermarkt stand, fragte mich ein aelterer Herr, ob ich den PCT laufe und woher ich komme. Der hatte auch deutsche Wurzeln wie sich dann herausstellte. Als er mit dem bezahlen fertig war, drueckte er mir einen Schokoriegel in die Hand und sagte, dass ich die Energie brauchen werde. Ach wie toll ist das, wenn man einfach so Sachen bekommt :-). Vor lauter Freude machte ich dann zusammen mit ihm ein Foto. Ich selbst kaufte mir einen Orangensaft sowie eine kleine Flasche "Sierre Nevada IPA" (mit das beste Bier der Welt!). Da ich laenger anstehen musste, war der Orangensaft schon fast leer als ich mit dem Bezahlen dran war. Jemand anders bekam das mit dem Foto auch mit und kaufte mir einen kleinen fleischhaltigen Snack. Vor dem Eingang des Supermarktes setzte ich mich dann hin und verschlang die beiden geschenkten Snacks, trank den O-Saft aus, packte das Bier in eine undurchsichtige Ummantelung und trank das auch aus. Dort bestellte ich mir auch im Internet ein Hotelzimmer, welches noch eine gute Stunde Gehzeit entfernt war.

So, nun geht's aber weiter. Ca. 5 Minuten nach Verlassen des Supermarktes fing es dann unglaublich in meinem Magen an zu rumoren. Nanu, was ist denn das? Das koennte leicht zum Unfall werden. Zum Glueck war eine Tankstelle eine halbe Stunde entfernt, zu der ich es gerade noch so geschafft hatte. Tja, vermutlich war irgendeiner der Snacks die ich geschenkt bekommen habe abgelaufen. Vermutlich das Fleischige Zeug. Ich befand mich nun im Zentrum von Big Bear City und meine Fuesse brannten einfach nur noch. Aber zuerst musste ich noch Vorraete fuer die kommenden Tage einkaufen was ich in dem Supermarkt nebenan erledigte. Jetzt fehlt mir nur noch eine neue Gaskartusche fuer meinen Campingbrenner, aber das gab es hier nicht. Naja, zur Not kann ich morgen einfach zur Tankstelle und Benzin mitnehmen. Mein neuer Kocher kann mit beidem umgehen. Mich fragte dann noch so ein Penner im Auto, ob ich ein Wanderer bin. Als ich das bejahte meinte er, dass er in diese eine Richtung fahre und er mich fuer 3 Dollar mitnehmen wuerde. Wie bitte? Gleich nach Geld fragen? Ne. Und ich fahre sowieso nicht per Anhalter.

Motel 6 hatte ich eine halbe Stunde spaeter erreicht. Wieder grummelte es im Magen. Bei der Rezeption checkte ich ein und ueberpruefte auch die Hikerbox. Perfekt! Jemand hat viele nuetzliche Dinge zurueck gelassen. U.a. eine halb leere Gaskartusche sowie ein Anti-Chafe (Anti-Wolf) Stift, von dem ich die oberste Schicht herunterkratzte. Wer weiss, wo das schon ueberall war...

Das erste Hotelzimmer nach ca. 12 Tagen. Was fuer ein Luxus! Ich verbrachte wohl eine halbe Stunde unter der Dusche die ich auch bitter noetig hatte. Mein Gesicht musste ich 2x waschen, da es so oelig war. Dann steckte ich alle meine Dreckswaesche in die Waschmaschine die es hier auch gab und machte mich auf die Suche nach Essen und nach einem Computer. Bezueglich dem Essen waren alle normalen Restaurants bereits zu. Mist! Heute kein Essen? Wg. dem Computer fragte ich auch irgendwelche Leute auf der Strasse, aber keiner konnte mir weiterhelfen. Ich benoetige unbedingt einen Computer mit USB Port in dem ich den Stick fuer den Passwort Generator stecken kann. Das ist noetig wg. dem bisschen Arbeit was auf mich vor ein paar Tagen aufgekommen ist. Weder Essen, noch Computer schienen verfuegbar zu sein.

Auf dem Weg zurueck zum Hotel sah ich dann ein Wyatt's Neozeichen und viele Autos davor. Was ist denn das? Beim Eingang sah ich dann ein paar Amis wie sie einen Line Dance vorfuehrten. Oha, das is ja nix fuer mich. Aber es schien hier essen zu geben und auch Bier. So holte ich mir einen doppelten Burger mit Pommes sowie eine Cola und ein IPA zum trinken. Mann, war das lecker! Beim Eingang sass auch jemand mit einem Notebook. Als ich mit Essen und Trinken fertig war, fragte ich ihn ob ich fuer ein paar Minuten an seinen Computer koennte und war super erleichtert, als er mich ran liess. So konnte ich die ersten Schritte der benoetigten Arbeit verrichten.

Alles in allem koennte es durchaus sein, dass ich heute von der Strecke her einen Marathon zurueck gelegt habe. Das erklaert auch, warum ich zu muede war, um diesen Tagebucheintrag am gleichen Tag fertig zu schreiben. Bis um 1.20 Uhr Nachts war ich noch wach. Morgen geht's dann gleich weiter.