Noch 2 Tage

2018-05-17: Nirgendwo → Nirgendwo


[Dieses literarische Meisterwerk wurde unterwegs heruntergehackt. Rechtschreib- sowie Grammatikfehler koennen Ausdruck von Erschoepfung, Lustlosigkeit zum Schreiben oder womoeglich Baerentatzen auf dem Keyboard darstellen.]

Wenn ich mich daran zurueck erinnere wie meine erste Wanderung in den Bergen verlief, ist es fuer mich schon irgendwie verwunderlich warum ich jetzt eine solche Bergaffinitaet habe. Damals ging es mit 3 Freunden, einer davon war auch das erste mal in den Alpen, den Mittenwalder Hoehenweg entlang. Ohne Sicherung, dafuer aber mit Blasen an den Fuessen. Meine Ausruestung war einfach nur grauenhaft. Z.B. ein Schlafsack den man nicht einmal in einen Sack stopfen konnte. Nachdem ich 3 Tage lang durch die Hoelle gewandert bin (die Aussicht, das Bier und Essen waren dafuer um so besser!), hat es mich mit dem Wanderfieber erwischt. Ein paar Monate spaeter und nach ein paar halben Bier ergab es sich, dass ich mit einem Freund beschlossen habe, ueber die Alpen von Muenchen nach Venedig zu wandern. Naja... das hat dann auch geklappt. Weiter ging's von Muenchen nach Trieste, dann von Muenchen nach Monaco. Zwar gab es in den Alpen noch genug zu sehen, aber richtige Herausforderungen vom Weitwandern gab es nicht mehr, da die Via Alpina in den Alpen ist die laengste Route welche Triest und Monaco verbindet. So ging's weiter in die Pyrenaeen. Erst vom Mittelmeer zum Atlantik auf der spanischen Seite, dann zurueck vom Atlantik zum Mittelmeer auf der franzoesischen Seite. Alles in einem einzigen Sommer. Gibt's da noch mehr?

In Exeter machte mich dann Mark B. darauf aufmerksam, dass es auch den pacific crest trail gaebe und einen gewissen Film den ich hier lieber mal nicht erwaehne ("section Hiker" seriously? **** '**!). Hm.... klingt ja interessant. Der weltweit laengste Weitwanderweg, den es ueberhaupt gibt. Durch eine Wueste, durch das Hochland, drei verschiedene Jahreszeiten, ueber 2600 Meilen, von Mexico nach Kanada.

Im ersten Jahr nach der Pyrenaeenwanderung dachte ich noch nicht soviel darueber nach, im zweiten Jahr juckte es mir dann schon mehr in den Beinen und im dritten Jahr.... naja..... jetzt bin ich auf dem Weg zum "trailhead" des PCT.

Mal den Job hingeschmissen (Nein, nicht weil ich wandern wollte, wie es viele vermuten :-) ) und die Wohnung aufgeloest, bin ich jetzt wieder mal ein obdach- und arbeitsloser unterwegs in den Bergen. Als ich vor ein paar Monaten beschlossen habe den PCT zu wandern, dachte ich mir, dass es wohl ein paar Unterschiede zu den Alpen- und Pyrenaeenwanderungen geben wird.

Bisher war es auf meinen bisherigen Weitwanderungen so, dass ich abends in ein Bett hatte, dass irgendjemand reichlich und nahrhaftes Essen kochte, dass ich Unmengen an Spezi und Bier in mich hineinschuetten konnte.... all das in dem Luxus der wohl erschlossenen alpinen Bergregionen in Europa. Ein Hoch auf die Ueberbevoelkerung, die Flucht vor anderen oder was auch immer es fuer Gruende dafuer gab dass die europaeischen Berge so gut erschlossen sind ;-).

Als ich das erste mal in der USA beim Wandern war, wurde mir schnell klar, dass die unbevoelkerten Bereiche etwas reichlicher vorhanden waren als in Europa. Hier kann man wirklich tagelang wandern ohne ein Stueck Zivilisation zu sehen.

Wie soll ich nun die mehr als 2600 Meilen wandern ohne regelmaessige Versorgung? Genau diese Frage wollte ueber die letzte Woche beantwortet werden. Nach dem studieren der Karten (450 Seiten!) und des Guidebooks wurde mir klar, dass ich vllt. doch etwas frueher mit den Vorbereitungen anfangen haette sollen. Frueher war es so, dass ich mir einfach alle Karten von irgendwo her bestellte, ein paar Infos ueber den Wanderweg mitgenommen habe (Guidebook) und das war's. Dieses wird es aber anders.

* Zeitlimitierung:

Zuerst einmal gibt es eine etwas ungewisse zeitliche Limitierung. Diese ganze Wanderung wird in etwa 5 Monate dauern. Das Problem dabei ist, dass das Risiko besteht in der Naehe von Kanada in die ersten Schneestuerme zu kommen. Das ist eigentlich kein Problem, wenn man frueh genug loswandert. Aufgrund der anwachsenden Beliebtheit des PCT gibt es mittlerweile aber nur ein begrenztes Kontingent an Wandererlaubnissen ("permits") welche ueber eine Webseite vergeben werden. Natuerlich behielt ich den Zeitpunkt der Freischaltung der Webseite genau im Auge. 2 Monate vor diesem Zeitpunkt musste ich aber bedauerlicherweise feststellen, dass die Webseite schon seit 1 Monat frei geschalten war und der optimale Zeitpunkt zum Loswandern nun schon vergeben war. Tja, so starte ich jetzt etwas mehr als 3 Wochen spaeter, was den Druck noch weiter erhoeht, rechtzeitig in Kanada anzukommen um nicht vom Winter erwischt zu werden. Also habe ich jetzt schon mal etwas mehr Zeitdruck als die meisten anderen.

* Versorgung:

Ein weiteres Problem besteht darin, dass ich einfach nicht per Anhalter fahren moechte, um mir weitere Nahrungsmittel zu beschaffen. Per Anhalter in eine nahe Stadt zu fahren ("hitch hiking"), Nahrung einzukaufen und wieder per Anhalter zurueck zu fahren ist ganz normal auf dem PCT, aber irgendwie habe ich dabei ein schlechtes Gefuehl und versuche das nun zu vermeiden. Ich bin bereits gespannt, ob ich das wirklich durchhalte. Logistisch und physisch resultiert das in ein paar sehr besonderen Herausforderungen. Erst einmal bin ich darauf angewiesen, mir per Pakete Nahrung (und Whisky, yeeeha!) zuzuschicken (bzw. zuschicken zu lassen). Das hole ich dann an ganz bestimmten Orten ab welche fast auf dem Weg liegen, allerdings vermutlich kein Sortiment fuer Wandernahrung besitzen (Man beachte das zuvor fallende Wort Whisky...). Alles in allem wird das dazu fuehren, dass ich mir die Zeit zum Fahren per Anhalter einspare, allerdings dafuer Nahrung fuer bis zu 9 Tage mitnehmen muss. Evtl. (Hoffentlich!) werden das auch weniger Tage, wenn ich erst mal fit bin. Nahrung fuer 6 Tage wiegt ueber 4.5 kg. Ja, ich habe nicht nur Gefriergetrockneten Frass mit mir sondern auch Muesliriegel, Pasta, Tomatenkonzentrat, Schokolade, Kaese und andere Leckereien .oO(Habe ich schon den Whisky erwaehnt.... ist aber nur 1/2 Liter). Auch nach 3 Jahren England kann ich mir nur schwer vorstellen ueber die kommenden Monate meistens Gefriergetrocknete Nahrung zu mir zu nehmen. Also Zusammengefasst: Ich habe einen Zeitdruck, versuche einen nicht-per-Anhalter PCT("non-hitchhike PCT") zu bewaeltigen und muss deshalb Nahrung fuer bis zu 9 Tagen mit mir nehmen.

Das Kartenmaterial:

Das gesamte Kartenmaterial wurde von einem PCT Hiker namens "halfmile" zusammengestellt und ist frei zum Download verfuegbar. Dank ihm konnte ich mir so mind. 2 weitere Tage sparen in denen ich diverse Karten im Internet haette bestellen muessen (ganz zu schweigen von den Kosten von vermutlich 300 oder mehr Dollar). Das sind satte 450 Seiten an Wanderkarten die ich (im Duplex Format) gedruckt habe. Bisher brauchte ich fuer das Studieren der Wanderkarten und das Markieren von dem Wanderweg nur ein paar Stunden. Das Markieren ist sehr hilfreich wenn man unterwegs ist und schnell einen Blick auf die Karten werfen will um festzustellen wo man genau ist. Dieses mal brauchte ich satte 1.5 Tage um das zu schaffen. Ein Grund dafuer war auch, dass ich alle moeglichen Wasserquellen fuer das erste Monat einzeichnen wollte, da die Wasserversorgung bei einem Wanderweg nahe und durch ein Wuestengebiet eher schwierig als einfach ist. Nach 1.5 Tagen Highlighter war das aber auch endgueltig geschafft und ich konnte mich um die weitere Planung kuemmern.

Die Strategie:

Alles dreht sich um das Gewicht. Wenn ich viel Essen mitnehmen muss, muss ich an anderer Stelle einsparen. Wie genau klappt das? Bei der Wanderung in den Pyrenaeen hatte ich von Anfang an das gesamte Kartenmaterial fuer beide Ueberschreitungen mit dabei (den Luxus, dass mir mein Vater die Karten in den Alpen vorbei faehrt gab es dort nicht). Dieses mal wird das aufgesplittet. Nun galt es die 450 Seiten topografische Karten zu managen. Im Duplexdruck dann noch 225 Seiten, was mir aber nach dem Druck wieder etwas mehr vor kam. Alles in allem sind das ueber 1 kg Kartenmaterial was ich mitschleppen muesste. Aber waren da nicht sowieso die Paeckchen mit Nahrung? Richtig! Also habe ich die Karten in 5 Bloecke aufgeteilt welche nun per Post verschickt werden. Ein weiteres Schwergewicht wollte in meinen Rucksack: Das Guidebook. Mit einer Plastikumhuellung und wohl ueber 200 Seiten war das ein richtiger Schmoeker mit sicher ueber einem halben Kilo Gewicht. Einem Kuechenmesser und einem Hefter sei Dank, dass auch dieses Gewicht auf mehr als 1/5 reduziert wurde. Die Einleitung und Ratschlaege kann man sich ja auch wirklich sparen...

Nun ging es daran, die Versorgungspakete zu erstellen. Doch wie viel werde ich denn jeden Tag essen? Wie schnell werde ich denn wirklich wandern? Ist es moeglich, das so zu schaffen und wenn nicht, wie gehe ich dann mit fehlenden Nahrungsmitteln um? Fragen ueber Fragen, die wohl andere Wochen beschaeftigen. Fuer mich hiess es 1 Woche vor Abmarsch aber: Naegel mit Koepfen machen. Ein kleiner Snack zum Fruehstueck und heisse Schokolade, irgendetwas kaltes zum Mittagessen, eine warme Mahlzeit am Abend und zwischendurch 2 bis 3 Muesliriegel zum knabbern sowie ein bisschen Schokolade. So, das war's Plan fertig, auf zum Einkaufen. Aber wohin muss nun wie viel Nahrung geschickt werden? Das herauszufinden hat mich tatsaechlich einen ganzen Tag beschaeftigt. Wieder packte ich das gesamte Kartenmaterial und ging Stueck fuer Stueck durch, wo ich was hinschicken konnte, ueberpruefte Adressen, rief hier und dort super freundliche Menschen an, die sich darueber freuten dass ich in ein paar Monaten vorbei kommen wollte um mein Paket abzuholen das sie in Empfang nehmen werden. Manchmal stellte sich auch heraus, dass es auch direkt vor Ort eine gute Auswahl an Wandernahrung gab. Nach weiteren 1.5 Tagen war dann auch die Versorgungsstrategie fertig. Fuer die erste Haelfte benoetige ich lediglich 5 Pakete, fuer die zweite Haelfte ca. 10 Pakete. Die ersten 5 werde ich selbst zusammenstellen. Ich wollte nicht auch noch die anderen 10 Pakete sofort vorbereiten, da ich mir nicht sicher bin, ob ich den ganzen Weg bewaeltigen werde. Einerseits helfen mir 2 Freunde (Sarah und Kathy, hi!) aus Boulder ein paar der 5 Pakete ein paar Wochen vor meiner Ankunft loszuschicken, andererseits hilft mir ein Hund aus Californien (Servus Chris, du bist einfach ein Hund :-D) dann weiter, wenn ich tatsaechlich auch die zweite Haelfte des PCT packe.

Nach diversen Einkaeufen wurden dann die Pakete gefuellt. Schon beim ersten Paket ergab sich ein Problem: Weder Klopapier, noch der Whisky passten in das Paket ("large box, priority mail, USPS")! Naja... das kann ja lustig werden, aber irgendwo werde ich schon Klopapier oder etwas aehnliches auftreiben koennen. Ich habe ja auch schon Geruechte davon gehoert, was PCT Hiker statt dem Klopapier hernehmen, aber das werde ich dann wohl spaeter in diesem Meisterwerk der Literatur sowieso beschreiben. Als die Pakete geschnuert waren (Weitere Einkaeufe und das Vorbereiten haben einen weiteren Tag gekostet), fiel mir dann ein Stein vom Herzen. Die letzten 3 Naechte war ich schlaflos. Werde ich mit allem rechtzeitig fertig? Klappt meine Versorgungsstrategie? Habe ich richtig geplant? Jetzt ist aber alles fertig gestellt und ich kann auch nichts mehr daran aendern. Der Rest wird unterwegs zusammengesucht oder es wird improvisiert.

Die Ausruestung fuer den Rucksack habe ich auch leicht abgeaendert. Seit meiner ersten Weitwanderung hatte ich den gleichen Rucksack, allerdings hatte dieser nach der letzten Weitwanderung diverse Loecher aus denen auch schon der Schaumstoff heraus trat. Also gab' es fuer genau diese Wanderung nach mehr als 10 Jahren wieder einen neuen Rucksack. Meine T-Shirts sowie die Unterwaesche war auch durchloechert, also wurde auch diese ausgetauscht. Wg. den Baeren in Yosemite und weiter noerdlich benoetige ich auch einen Baeren Kanister ("Bearcanister"), welchen ich schon vor 2 Jahren besorgt hatte. Dieses mal gibt es das meiste Trinkwasser aus nicht einfach aus dem Wasserhahn sonder ich werde unterwegs diverse Naturressourcen anzapfen, weshalb ein leichter Wasserfilter mit dabei ist. Die Energieversorgung (sonst koennte ich dieses Tagebuch nicht direkt schreiben) muss auch gewaehrleistet sein. Schon letztes Jahr testete ich dafuer die leichtesten Solarzellen welche auf dem Markt verfuegbar sind. Da es in den Bergen auch sehr kalt werden kann, kaufte ich mir auch einen dicken Daunenschlafsack, der mich auch noch bei -20 Grad Celsius etwas waermt. Die duenne aufblasbare Thermorest Matratze von der letzten Wanderung war doch etwas unbequem und wurde durch eine leichtere und deutlich dickere Thermorest Matratze ausgetauscht. Das doppelwandige Zelt "Vaude Lizard" ist ja sowieso mein absoluter Liebling und ist auch wieder mit dabei. Das Schuhwerk ist dieses mal auch anders ausgelegt. In den letzten 3 Jahren wanderte ich mehr und mehr in Sandalen um festzustellen, dass Wanderschuhe etwas ueber bewertet sind. Der PCT an sich ist auch fuer Pferde und anderes Maultier ausgelegt, weshalb ich erwarte, dass dieser einfach zu Wandern ist. Deshalb sind feste Wanderschuhe fuer mich zumindest fuer den Beginn der Wanderung ausgeschlossen. Mit dabei sind ein neues Paar Sandalen sowie leichte Trekkingschuhe von einer Firma, die einfach nicht bereit war, mir ein paar kostenlose Paare zur Verfuegung zu stellen. Ein besonderes Ausruestungsteil fand dieses mal den Weg in meinen Rucksack: Eine kleine Schaufel ("trowel"). Wieso das? Tja..... Tagelanges Wandern, Verdauung, ... Irgendwo muss das ja hin... Das wird noch interessant werden!

Summa summarum wiegt mein Rucksack ohne Wasser und mit 6 Tagen Nahrung damit 18.5kg, was vllt. nach viel klingt, aber in der Tat wenig ist. Mit weiteren 3 Litern Wasser und einem Liter Reserve sind das dann 22.5kg was an dem Maximum ist, was man so tragen sollte. Aber in einem Monat wird das noch auf ein weiteres kg angehoben.

Alles laeuft soweit also wie geplant, auch wenn die Woche davor vllt. etwas hektisch war. Noch 2 Tage, dann geht es los.

Eine besondere Frage stellt sich mir seit laengerem, naemlich welche Unterschiede ich zu meinen bisherigen Weitwanderungen erleben werde. Auf der einen Seite ist der PCT deutlich laenger und verlaeuft zumeist in der Natur ("wilderness"). Auf der anderen Seite gibt es auch deutlich mehr Wanderer welche ich unterwegs treffen und insbesondere kennenlernen werde. Also wird mir auf der einen Seite die Bequemlichkeit der Zivilisation jeden Abend durch hoffentlich gute Gesellschaft ersetzt.

Nun ist aber genug mit Schreiben. Morgen ist auch noch ein Tag.

Ein besonderes Dankeschoen an dieser Stelle an meine Versorgungshelfer Chris, Sarah und Kathy! Insbesondere an Chris, der noch nicht weiss, wie viel Arbeit auf ihn zukommen wird ;-).

Tag -2 zu Ende.