Tag 83: Bridge of the gods, Ankunft in Washington

2018-08-09: Salvation spring → Cascade locks


Das ist der erste Eintrag den ich nach dem Verlust meiner Tastatur schreibe. Ich kann nur sagen, dass es eine Wohltat war, keine Tastatur zu haben um einfach nur in der Nacht einzuschlafen ohne die weitere Aufgabe einen Tagebucheintrag zu formulieren. Wenn ich denn einschlafen konnte....

Wieder mal konnte ich nicht richtig schlafen. Zum einen hatte ich kein richtiges Gefuehl in der Ferse was seit Wochen der Fall war, aber daran hatte ich mich schon gewoehnt. Das war aber nicht der Grund fuer die schlaflose Nacht. Nach ein bis zwei Stunden ohne Schlaf fing mein Bauch zu schmerzen an. Ich bekam richtige Kraempfe. Was war denn hier los? Zuviel Schokolade hab' ich nicht gegessen, das kann also nicht der Grund sein. Was war es dann sonst?

Ich stand erst spaeter als normal auf. Als ich Wasser filterte stellte ich fest, dass der Verschluss nicht komplett geschlossen war. Das koennte erklaeren, warum ich Kraempfe hatte: Ich trank dieses Wasser in dem sich Muecken tummelten teilweise ohne Filter. Was wohl passiert waere ganz ohne Filter? Aber vllt. war das auch etwas ganz anderes.

Nach dem Aufstehen huschte ich erst mal in die nicht existierenden Buesche um Essen dem Energie entzogen wurde von mir zu geben. Aber heute war da auch etwas nicht so ganz rund wie sonst. Ich fuehlte mich auch absolut beschissen was aber wohl von dem Schlafentzug kam. Als ich aus der Hocke aufstand stellte ich auch noch fest, dass ich mich angepisst hatte. Fuck. Was nun? Ach, egal. Ich bin nun wirklicher Hiker Trash, da mir auch das nichts mehr ausmacht. Wenn ich an die Zeit zurueck denke vor der Wanderung und wovor ich am meisten Angst hatte, dann im Dreck zu leben und nun das. Aber irgendwie ist das alles kein Problem. Warum? Weil ich ein PCT Thru-Hiker bin.

Als ich mich so am Campingplatz umschaute den die anderen Camper schon verlassen hatte ist mir auch aufgefallen dass ueberall Klopapier herumlag. Es scheint mir so als ob dieser Platz hier eine einzige Toilette ist. Da haette ich auch nicht 30 Meter entfernt mein Geschaeft erledigen muessen....

Das Zusammenpacken von meinem Zeug wurde zur Tortur. Gestern Abend gab es fast nur Fliegen, aber zu diesen gesellten sich nun auch noch Muecken hinzu. Die Haferflocken (oder sollte ich sagen das Zuckergemisch) verputzte ich waehrend ich im Kreis lief um die Fliegen und Muecken etwas von mir fern zu halten.

Um 6:50 startete ich dann los, spaeter als normal und mit einem absoluten Scheiss Gefuehl. Ich wusste aber, dass es heute "nur" ca. 30 Meilen zu wandern gab.

Schon in der Frueh war es relativ schwuel und warm. Der Weg verlief wieder mal leicht auf- und absteigend in der Naehe des Bergrueckens. Ich fuehlte mich einfach beschissen. Ich hatte diese Cliff Energie Blocks mit mir welche auch mit Koffein versehen waren. Diese halfen eine gute Zeit ueber dieses "ich bin kaputt" Gefuehl hinwegzukommen.

Meine Brustnippel schmerzten auch mehr und mehr. Diese waren etwas wundgerieben. Meine Theorie dahinter war, dass ich wg. dem haeufigeren Baumhatsch meinen Wanderhut herunterhaengen liess. Dieser baumelte dann an meinen zwei Brustnippeln herum und wetzte diese auf. Loesung? Den Wanderhut nicht herunter haengen lassen. So ging's einigermassen. Es ist einfach ueberraschend mit was man auf einmal zu kaempfen hat.

Der Weg zog sich ewig hin was wohl daran lag, dass ich mich einfach beschissen fuehlte. Teilweise verlief der Weg auch ueber Geroellhalden in welche ein schoener Wanderweg hineingebaut wurde. Nach 8 Meilen erreichte ich dann Indian Springs. Durch die Buesche erspaehte ich einen Pavillion und ein Auto. Trailmagic! Trailmagic? Nein, nichts da. Das war nur ein Mehrtagesausfluegler von jemandem der mal auf dem PCT gewandert ist und hier seinen Trailnamen bekommen hat. Warum dieser hier keine Trailmagic macht ist mir einfach nicht verstaendlich. Das waere die optimale Gelegenheit den Hikertrash (Liebe Mama, ich bin gespannt wie du dieses Wort meiner Oma uebersetzt) mit Trailmagic zu versorgen. Naja, wie auch immer war da auch noch jemand anders. Viel juenger und wie sich spaeter herausstellte sein Sohn. Dieser kiffte nicht uebertrieben alle paar Minuten an seiner Minibong und es war noch nicht mal Mittag. Legalisierung von THC ja, aber muss das wirklich so extrem sein? Ich holte mir von der Indian Spring etwas Wasser um erst mal das Wasser in meiner Trinkblase zu ersetzten. Dieses koennte wg. dem Wasserfilterproblem von gestern auch noch kontaminiert sein. Dann fuellte ich meine Trinkflasche auf und genoss wieder mal einen Liter Schokomilch wie ich diese auch schon auf dem Herweg heute genossen hatte.

Normalerweise wandern die PCT Hiker hier die Alternativroute aber diese war noch geschlossen. Letztes Jahr war auch zusaetzlich die Hauptroute wg. einem heftigem Feuer geschlossen und was das angestellt hat sollte ich schon bald in Augenschein nehmen. Dank vieler Helfer war zumindest der Wanderweg der Hauptroute des PCT wanderbar.

Als ich so weiterwanderte dachte ich ueber die letzten drei grossen Berge nach. Ich passierte die "Three Sisters" (Ja, eigentlich sind das schon drei Berge, aber die fasse ich jetzt mal zusammen), dann Mt. Jefferson, gefolgt von Mt. Hood. Einfach gewaltige Berge die der PCT verband und an diesen ueber herrliche und beeindruckende Wanderwege vorbei fuehrte. Es ist kaum zu glauben wie viel Schoenheit man erleben kann. All diese Wege waren zwar durch sehr, sehr, ja wirklich seeeeeeehr (!!!!) langweilige Wege verbunden, aber dafuer kam man dann in den Genuss von diesen spektakulaeren Aussichten.

Als ich zum "Wahtum Lake" abstieg futterte eine Frau ein paar Baeren vor sich her die sie frisch gepflueckt hat. Was die futter, kann ich auch futtern. Auf Nachfrage erklaerte sie mir, dass das Huckleberries sind welche weniger suess sind im Gegensatz zu Blueberries. Egal, einfach rein damit. Ich bin auch immer noch am Leben und es schmeckte mal gar nicht mal so schlecht.

Bald kam ich auch am See an und machte eine weitere Pause. Viele Meilen hatte ich noch nicht zurueckgelegt, aber ich hatte einfach das Beduerfnis nach einer Pause. Erst mal holte ich mir von dem See etwas warmes Wasser um mir wieder mal eine Schokomilch zu mischen. Diese Paekchen dafuer fuehlten sich unglaublich schwer an und ich bereute es, dass ich mir das Leben einfach gemacht hatte und einfach nur das Fruchtgeschmackkonzentrat die letzten Tage ueber verwendete. Zum Essen gab es ein bisschen Tortilla Wraps, aber die Dose SPAM wollte ich nicht oeffnen. Die Haelfte davon wuerde ich nach dem heutigen Wandertag einfach nur in den Muell schmeissen und das waere mir einfach zu schade. So gab es einfach nur eine Kaesetortilla. Und das ohne Tabasco Sauce die ich gestern gaenzlich in das Abendessen schuettete um dort etwas mehr Geschmack reinzubringen. Als Nachspeise noch etwas Suessigkeiten. Ich fuehlte mich immer noch beschissen. Tja, aber es hilft ja nix. So lief ich eben einfach weiter.

Der Weg verlief um den See herum und stieg leicht an. Dann sah ich ein Schild "Shortcut to south PCT". Was? Wie bitte? Warum gab es keinen "Shortcut to North PCT"?!? Egal. Es ging weiter und schon bald konnte ich die Ausmasse des Feuers sehen welches hier letztes Jahr wuetete. Ich lief durch einen abgefackelten Wald. Das war an sich nichts neues, aber das Wissen, dass das ein Showstopper fuer die Wanderer vom letzten Jahr war und ich wirklich am Anfang vom PCT befuerchtete, dass dieser Teil des Wanderweges noch nicht geoeffnet sein koennte machte das zu einem besonderen Erlebnis. Vielen Dank an all die Freiwilligen die geholfen haben diesen Wanderweg wieder sicher wanderbar zu machen!

Nach dem Anstieg verlief der Weg dann wieder durch ein etwas begruenteres Gebiet von dem Wald wie wenn hier das Feuer keinen Zugang gehabt haette. Ich kam bei dem Plateau an was ganz angenehm zu wandern war, aber es zog sich einfach sehr sehr lange hin. Neben dem gruenen Wald gibt's hier auch nicht viel weiteres zu berichten. Das war halt einfach nur ein Waldhatsch. Dann auf einmal fing der Weg an steil abzusteigen. Vorbei an einer Campsite, und dann nach einem kleinen bisschen auf wieder steil absteigend.

Jetzt fing der tatsaechliche Abstieg an und zwar insgesamt ca. 1200 HM, also kein Pappenstiel. Nach der ersten Kehre sah ich auch schon ein paar Wanderer um die Wasserquelle herumlungern. Da hat jemand einen Schlauch in den Berg geschoben und darum sassen die Wanderer herum um Wasser abzuzapfen. Einer der wartete sass mit einer leeren Flasche da und der anderen wartete schon ganz ungeduldig bis die Flasche voll war. Ein Blick in meine Karte verriet mir, dass ich noch 4 Meilen bis zur naechsten Wasserversorgung hatte. Der Liter Wasser in meiner griffbereiten Wasserflasche war nun leer und jetzt musste der Liter Wasser aus meiner Trinkblase herhalten. Diesen fuellte ich in meine Wasserflasche waehrend dem Abstieg um indem ich den Saugnippel (Das ist wohl nicht die offizielle Bezeichnung) zusammendrueckte und das Wasser in die Flasche laufen liess. Dazu noch ein Schluss kuenstliches Fruchtaroma e voila, fertig ist der Fruchtsaft. Ein Liter, nicht mehr. Das muss ausreichen.

Beim Abstieg hoerte ich wieder mal Podcasts die ich seit ca. einer Woche herunterlade. Damit vertreibe ich mir die Zeit bei langweiligen Ab- und Aufstiegen oder bei langen Waldhatschen. Mit viel Zick-Zack fuehrte der Weg bergab und bot nicht viel Ausblick ausser zu dem Zeitpunkt als man den maechtigen Fluss im Tal erblickte. War das ein Fluss? Oder eine Meereszunge? Das Wasser war einfach sehr sehr breit sodass es beides haette sein koennen. Aber natuerlich war das ein Fluss, da das Meer zu weit entfernt war. Columbia River. An dieser Stelle einfach ein unueberwindbarer Wassergraben den man nur mit einer grossen Bruecke ueberqueren konnte und das ist das erste und vermutlich wohl auch das letzte Mal auf dem PCT.

Statt mehr Wasser an spaeteren Stellen zu holen (nach den 4 Meilen) lief ich einfach weiter und rationierte das Wasser. Nach dem ganzen Wuestenhatsch und den anderen trockenen Wanderwegen war das kein Problem.

Ein unerwartetes Highlight gab es noch weiter unten im Tal: Aus dem Berg heraus kamen seltsam geformte Miniberge welche ausschliesslich aus Gestein bestanden welches abgekruemelt war. Das ist wohl Inspiration von vielen Computerspieledesignern. Ich sollte hier wohl auch mal erwaehnen, dass ich schon viel in Computerspielen gesehen habe und ich in jungen Jahren sehr oft davon beeindruckt war, wie innovativ die Landschaft aussah. Jetzt, nach ueber einem Jahrzehnt muss ich sagen, dass sehr viel davon wohl von der Natur inspiriert wurde.

Der "Dry Creek" stellte sich als wasserfuehrender Fluss heraus und wieder holte ich kein Wasser. Schnell ging's weiter! Ich sollte vllt. auch noch erwaehnen, dass ich seit Stunden trotz der Entleerung am Morgen einen Druck am Hintern hatte und ich hatte einfach keinen Lust auf einen weiteren "Nature Poo". Unter einer Bruecke querte ich den Highway und als ich einen Park passierte nutzte ich die Chance einer oeffentlichen Toilette. Diese hatte zwar kein Klopapier, aber das hatte ich ja auch selbst mit dabei. Alles kein Problem und so kam ich in den Genuss von einer Toilette auf der ich mich auch hinsetzen konnte. Wahrer Luxus...

Mit der Erledigung der Tagesaufgabe, naemlich der Ankunft in Cascade Locks, quatschte ich auch noch etwas mit den Leuten vor der Toilette und machte mich dann an eine wichtige Aufgabe: Zur "Bridge of Gods" gehen um die Grenze nach Washington zu ueberqueren.

Kurz vor der Bruecke sah ich dann auch einen PCT Hiker den ich seit Wochen sehe, aber dessen Namen ich vergessen hatte. Schon von hinten sah ich, dass er sich die Traenen aus den Augen wischte. Als ich kurz "Hi" sagte, sah ich dann auch die Ueberbleibsel von diesen in seinen Augen. Das ist fuer viele wohl ein wirklich emotionaler Moment. Fuer mich auch, aber nicht sooooo emotional. Vllt. wird das so wenn ich erst in Kanada ankommen werde.

Die Frau bei dem Zollhaeuschen sagte mir noch, dass ich auf der linken Seite laufen sollte und das tat ich dann auch. Hier gab es keinen Fussgaengerbereich und der Weg stellte sich schon bald als Gitter heraus. Ich hatte freie Sicht auf das Wasser direkt unter mir. Nach der Passierung des Schildes "Welcome to Washington" und einem Foto machte ich dann eine Kehrtwende und lief zurueck. Auf der anderen Seite gab es nichts was fuer Wanderer geeignet war. Alles befand sich noch auf der Seite von Oregon und da lief ich nun zurueck. Ich wollte lediglich schon mal Washington abhaken :-D.

Zurueck in Oregon lief ich erst mal in's Ale House. Dort gab's ein kostenloses Bier fuer PCT Hiker und auch Post. Diese wurde kostenlos fuer PCT Hiker aufbewahrt und neben den Wanderkarten bekam ich auch endlich wieder meine US Debit Card welche ich schon sehnsuechtig erwartete. Seit fast einem Monat bin ich ohne diese unterwegs und verschwende nur unnoetig Geld wg. der Verwendung von EU Karten.

Es ist immer beeindruckend was es fuer Zufaelle gibt. Einer (Trailname "Red Moon") der vor der oeffentlichen Toilette stand war nun hier im Pub. Er lernte einen aelteren Mann kennen und es stellte sich heraus, dass der Sohn von dem aelteren Mann ihn letztes Jahr geholfen hat als er in der High Sierra in den Fluss gefallen ist. Was fuer ein Zufall! Red Moon haette wohl sehr grosse Probleme gehabt das heil zu ueberstehen wenn sein Sohn nicht zur Stelle gewesen waere um ihn zu helfen.

In den Ale House bestellte ich mir auch den Thru-Hiker Burger. Was fuer ein geiles Teil. Ich hoffte schon bei der Ankunft, dass es eine Pizza geben wuerde, aber hier wurde alles perfektioniert. Der Thru-Hiker Burger bestand aus einem Burger welcher statt den typischen zwei lapprigen Burgerbroten einfach zwei kleinen Pizzen hatte. Was fuer ein Genuss!!!

Auf der Suche nach einer Unterkunft stellte sich der RV Park als Niete heraus. Hier gab es nur Zimmer fuer 109 Dollar fuer zwei Personen. Aber der Campingplatz weiter unten war eine Goldgrube. Als ich unten ankam fragte ich gleich zwei junge Burschen ob ich mein Zelt auf deren Platz aufschlagen konnte und das war kein Problem.

Eine Dusche gab es hier auch unter der ich Dreck von 4 Tagen loswerden musste. Es stellte sich heraus, dass sich an meinen Beinen den Dreck regelrecht abkratzen musste um diesen loszuwerden. Der Dreck ist wirklich unter meiner Haut.

Spaeter kam dann auch "Red Moon" (was fuer ein weiterer Zufall!!!) wieder mit dazu und schnappte sich den Platz direkt daneben. Dann wurde ich vom Campingplatz Host verscheucht, weil angeblich nur zwei Zelte pro Platz erlaubt sind. Was? Ich vermute mal eher, dass es darum ging, dass ich hier kostenlos unterkomme. Aber das war kein Problem, da ich einfach das Zelt zu Red Moon's Platz umzog.

Spaeter ging's noch weiter zur Brauerei wo es ein weiteres Freibier gab. Das funktioniert so, dass andere Besucher den PCT Hikern ein Freibier auf Vorrat ausgeben koennen. Da wird ein Bierfitzl in eine Roehre gesteckt und jeder PCT Hiker kann sich eines davon nehmen. Solange der Vorrat reicht. So liess ich den Abend noch gemuetlich ausklingen. Es gab auch noch einen Kaesekuchen welcher aber eher enttaeuschend als berauschend war. Tja, man kann nicht alles haben.

Vor ca. 2 Wochen habe ich auch damit angefangen einen TODO Liste fuer die Zeit nach dem PCT zu schreiben. Sozusagen was ich schon lange aufgeschoben habe und was schon laengst ueberfaellig ist. Das werden turbulente Wochen nach dem PCT! Eisessen und bisschen wandern um Greding herum mit meiner Nichte Amelie ist natuerlich mit dabei!