Tag 4: Im Halbkreis laufen

2018-05-22: Water cache → Water cache


Geschaetzte Strecke: 22.5 miles

Die Nacht war extrem windig. Das Zelt wurde nur so links und rechts vom Wind herumgeworfen. Deshalb habe ich auch in dieser Nacht nicht so gut geschlafen, aber immerhin ein bisschen. Eigentlich hatte ich vor, um 4:30 aufzustehen, was ich aber gleich verworfen hatte als der Wecker klingelte. 5:30 war es dann soweit. Die Morgentoilette wurde wieder mit einem Spaten in der Hand geschafft, an meiner Zahnbuerste befand sich Seife und ich zog die verdreckten Socken zum 3-ten mal ohne Waesche an. Diese stehen mittlerweile vor Dreck.

Nach dem Abmarsch viel mir gleich auf, dass der Wanderhut fehlte. Wo war denn der? Naja, egal. Ich habe alles gecheckt und es ist nichts mehr dageblieben. Deshalb muss er im Rucksack sein. Als Ersatz gab es heute meinen alten Wanderhut, der eigentlich nur als Schweisstuch dienen sollte. Er hat allerdings gute Dinge geleistet.

Heute machte ich mir auch Gedanken darueber, wie eine Wasserzisterne die steigende Wandererzahl mit Wasser versorgen sollte. Ob da wo ich heute hingehe ueberhaupt noch genug Wasser ist?

Der Weg verlief zuerst an einer Seite der ausgetrockneten Berge entlang, etwas in Talnaehe. Von dort hatte man immer einen schoenen Ueberblick ueber das komplett ausgetrocknet Tal. Nur in der Ferne war eine kleine Oase zu sehen. Ob wir dort noch vorbei kommen? Morgens verlief dieser Weg zu Anfang auch noch im Schatten was das Wandern noch angenehmer machte. Roadrunner beklagte sich dann ueber Schmerzen in ihrem Oberschenkelmuskel und ich bot ihr etwas aus meiner mobilen Apotheke an. Da ich auch dem einen von Lake Morena etwas gegeben hatte, und auch Sebastian gestern, komme ich mir mittlerweile wie eine wandernde Apotheke vor. Aber es ist ja auch schoen anderen helfen zu koennen.

Meine weisse Wanderhose ist mittlerweile auch nicht mehr weiss sondern einfach gesagt grau oder mit Dreckfllecken uebersaeht. Mal schauen, wann ich das naechste mal zum Waschen komme. Der Wind hier oben bliess auch stark, was wohl der Konvektion zu verdanken ist, die die Sonne erzeugt. So sind die allmaehlich steigenden Temperaturen auch kein grosses Problem mehr.

Bald ging es dann endgueltig in's Tal runter und wir wanderten einen fast geraden Weg entlang. Das dauerte sicher ueber eine halbe Stunde. Als wir an einer Abbiegung ankamen meinte ich nur "I have to change my tires" (Servus Tobi N., falls du das lesen solltest!). Mit Sandalen ging es nun weiter. Die Trekkingschuhe befestigte ich mit ihren Schnuersenkeln an meinem Brustgurt. Mittlerweile ist die Sonne aus vollstaendig herausgekommen und wir waren dieser direkt ausgesetzt. Kurz vor dem erreichen der Strasse erreichten wir einen "Emergency Water Cache" an dem auch eine gespenstische kleine Puppe sass. Der Regenschirm war wohl eher fuer diejenigen, die dort fast nur mit Hitzeschlag ankommen. Dieses Wasser haben wir natuerlich nicht angetastet sondern gingen einen Wanderweg neben der Strasse weiter entlang. Dann noch eine Kreuzung der Strasse und schon waren wir bei einer Bruecke unter der dann der tatsaechliche Watercache war. Habe ich schon erwaehnt, was Watercaches sind? Watercaches sind die Wasserversorgungsstellen welche von Freiwilligen wieder aufgefuellt werden. Diese sind teilweise extrem wichtig, da man ansonsten einfach gesagt ohne Wasser dastehen wuerde. Verlassen kann man sich aber nicht darauf. Deshalb habe ich zu Beginn meiner Wanderung auch das maximale an Wasser mit, naemlich 5.5 Liter.

Ein paar andere Leute kamen zu uns drei nun dazu. Einer davon erzaehlte von einem sehr seltsamen Ereignis mit einem Trailangel bei Mount Laguna: Er wurde von einem Trailangel mitgenommen, diese fuhr aber fuer 5 Stunden irgendwo in der Gegend herum. Dann gab es noch eine Verfolgungsjagt wegen einer offenen Rechnung bei einem Wirt. Diese wurde damit beendet, dass der Wanderer anbot ihr diese Rechnung zu begleichen. Diese Geschichte ist schon zu seltsam um sie zu glauben, aber kann auch wahr sein.

Nach der Bruecke waren 600 Hoehenmeter (HM) Aufstieg zu schaffen. Ich stelle mir die Frage, ob ich jemals in "foot" denken werde. Fuer die Strecke denke ich bereits in Meilen und rechne diese mit der Formel "3 Meilen schnell wandern = 1 Stunde" um. Bei den Foot dividiere ich diese immer noch durch 3 um eine Einschaetzung davon zu bekommen, wie hoch das wirklich ist.

Nun machte ich mich an den Anstieg. Es war wohl kurz nach 11 Uhr und ab 12 Uhr ist das Wandern einfach nur noch eine Qual. Die ersten Kehren gingen ganz zuegig. Der Weg schlaengelte sich leicht aufsteigend und leider auch manchmal leicht absteigend dem Hang entlang. Zwischendurch sah ich nun auch andere Wanderer. Also sind doch nicht nur eine handvoll Wanderer unterwegs wie an meinem Wanderstarttag! Ca. eine Stunde lang hielt ich das durch, dann legte ich eine Pause ein. Ein grosser Stein mit Ueberhang bot mir guten Schatten. Sicher eine halbe Stunde sass ich herum und freute mich ueber das schattige Plaetzchen, wobei sich der Schattenbereich mehr und mehr verkleinerte. Zwei Wanderer ueberholten mich an dieser Stelle.

Nach diesem laengeren Paeuschen ging es weiter. Meine Strategie war es, max. 1 Stunde zu wandern und dann 15 bis 30 Minuten lang eine Pause einzulegen. Das sollte einem ploetzlichem Hitzeschlag vorbeugen, den ich zwar nicht befuerchtete, aber der haette sein koennen. Ich war auch unglaublich muede und war mir nicht sicher, ob das ein Vorzeichen dafuer sein koennte.

In der weiten Ferne sah ich dann auch noch jemand mit einem blauen Regenschirm. Oh! Das muss Roadrunner sein. Sie hat mir schon davon erzaehlt, dass sie einen Regenschirm mitnehmen wird. Das hat sich zumindest fuer heute rentiert.

Kehre um Kehre zog sich der Wanderweg weiter hoch. Deutlich laenger als erwartet ging das vor sich hin. Ich musste auch nicht einmal Wasser lassen, was trotz den mittlerweile 3 Liter Wasser die ich zu mir genommen hatte, kein gutes Zeichen ist. Ich schwitzte auch nicht mehr (es war ca. 3 Uhr), oder der Wind und die Hitze liessen den Schweiss sogleich wieder verdunsten.

Von oben konnte ich die Strasse sehen welche sich kerzengerade neben dem Wanderweg durch das Tal zog. Das wuerde viel schneller gehen... Die ganze Zeit hatte man auch einen Blick auf Berghang, den es in der früh entlang ging. Also sozusagen laufe ich gerade im Halbkreis, was das nicht attraktiver macht, aber naja, das muss man halt auch bei PCT mitmachen. Durch Zufall hoerte ich eine Konversation von anderen mit bei der es darueber ging wer schon vorbei gekommen ist. Ich war einfach nur derjenige mit der Karte (die um meinen Hals und eine Schulter haengt) sowie die Schuhe die vor mir baumeln.

Das ganze Wandern an sich waere auch nicht das grosse Problem gewesen, wenn ich nicht eine so seltsame Blase haette, welche zwischen Grossem- und Zeigezeher lag. Diese Blase erstreckt sich vom Fussballen bis hin zu dem Zehenzwischenraum. Als ich diese heute wieder ueberpruefte, musste ich bemerken, dass diese unbemerkt aufgegangen ist. Cool, da gibt es nichts mehr zu machen! Bis auf das tief gelbe Restzeug was raus gekommen ist passt das. Ich bin aber nicht der einzige mit Blasenproblemen. Viele andere kaempfen auch damit.

Als gesamte Strategie fuer heute habe ich das Wandertempo heute stark verlangsamt. Einerseits ist das wg. der Hitze, wobei ich auch sagen muss, dass wir mit den Temperaturen verdammt viel Glueck haben. Vor einer Woche war es brutal heiss. Andererseits ist das, weil mir der gestrige Hatsch noch in den Beinen steckt.

Bei der Kreuzung der Strasse haben so gut wie alle Wanderer einen Zwischenstopp in der Nachbarstadt gemacht zu der sie per Anhalter gefahren sind. Es scheint so, als ob Roadrunner und ich die einzigen in dieser Gruppe sind, welche ohne Hitchhiking auskommen wolle. Ich bezeichne diese Leute jetzt einfach nicht mehr als "through-Hikers", sondern als "through-hitch-hikers", jedenfalls so lange bis ich auch per Anhalter fahren werde ;-). Dieser kurze Ausflug erklaert aber auch, warum alle anderen Wanderer wieder voller Energie waren.

Schon den ganzen Tag ueber war ich auch kein einziges Mal beim Wasser lassen, was kein wirklich gutes Zeichen ist. Als ich mich dazu gezwungen hatte, koennte man die Farbe tief Gelb danach definieren. Die Konsequenz daraus war, dass ich nun bewusst mehr Wasser trank. Es fehlten noch ca. 1.5 Stunden bis zum vermeintlichen Wassercache und ich wollte nichts riskieren.

Abends gelangte ich dann endlich zu dem Punkt, an dem es die Abzweigung zu dem Wassercache gab. Dieser lag nicht direkt auf dem Weg sondern ich musste ein gutes Stueck (vllt. 50 HM) absteigen. Den Rucksack liess ich auf halbem Wege liegen und ein paar Minuten spaeter stand ich dann vor dem Watercache: Ca. 100 Galonen Wasser! Fuer jeden Wanderer 3 Liter davon (1 Galone sind soviel ich weiss ca. 3 Liter). Dort unten gab es auch viele Zeltplaetze welche windgeschuetzter waren als die weiter oben. Also zurueck zu meinem Rucksack. Dort entschloss ich mich auch eine kurze Katzenwaesche im Intimbereich durchzufuehren. 3 Tage bei Hitze zu wandern ohne irgendeine Dusche kann doch nicht gut sein und fuer meinen Wolf, der zum Glueck mehr und mehr abheilt, ganz sicher auch nicht.

Wieder am Watercache quatschte ich dann noch mit den Leuten die dort auch zelteten. Einer davon rauchte wohl schon einige Joints, der zweite wohl auch so, nur der dritte war noch normal. Alles in allem also eine lustige Runde. Mein Zelt baute ich auch noch schnell auf, wobei ich den Schlafsack oben linksherum darueber legte. Ich hoffe, dass dieser damit ein bisschen auslueftet und in ein paar Wochen nicht ganz so erbaermlich stinkt.

Alle, die hier oben sind, sind tatsaechlich von unten bis oben verdreckt. Jeder hat Dreck an Beinen, Armen und auch im Gesicht. Die Fingernaegel strotzen natuerlich auch nur so von Dreck. Anfangs war ja meine Befuerchtung, dass ich das total schlimm finden werde, mittlerweile gehoert es aber einfach dazu. Damit ist meine schlimmste Befuerchtung nicht mehr existent.

Meine Kleidung am Abend wird dann auch gewechselt. Die vor Dreck selbst stehenden Socken werden ausgewechselt, ich ziehe mir ein zweites T-Shirt drueber, ich trage eine kleine Muetze, ich ziehe mir eine lange Hose an. Da ich kein langaermliches Oberteil mehr besitze, nehme ich eben meine Regenjacke her. Nicht optimal, aber besser als nix.

Roadrunner ist nicht mehr aufgetaucht, was mich zu einem Umdisponieren von der Abendmahlzeit zwang da ich ja keinen Topf hatte. Deshalb gab es noch das Stueck Kaese mit dem italienischem Brot was mittlerweile einfach nur aus Broeseln bestand. Als ich so da sass und die letzten Stuecke des Kaese verschlang sah ich rechts von mir eine Maus. Es hat nicht lange gedauert, und aus einer Maus wurden 3 Maeusse.

Auch vom Steinewerfen liessen sich diese nicht weiter beeindrucken sondern sind weiter um mich herumgelaufen. Naja, dann ist es wohl wirklich Zeit fuer mich zu gehen. Die anderen waren auch schon alle im Bett, obwohl es erst 8 Uhr abends war. So begab ich mich aus in's Bett, schrieb an dem Tagebuch (von dem Tag vorher) und stellte dann fest, wie erstaunlich warm es in meinem Zelt ist. Dieses mal war mein Oberschenkelmuskel kurz vor dem verkrampfen.

Im Zelt stellte ich auch fest, dass ich ziemlich mueffel. Immerhin bin ich jetzt schon 3 Tage mit intensivem Wandern unterwegs. Alles an mir klebt vom Schweiss und es gibt keine Moeglickeit mich richtig zu waschen. Der Watercache ist natuerlich nur zum Trinken und nicht zum Waschen. Irgendwie findet auf dem PCT eine Devolution statt: Zurueck zum Primitiven.

Richtig schlafen konnte ich auch nicht. Die fiese Blasen an beiden grossen Zehern schmerzen oft. Hoffentlich sind diese nicht entzuendet.